Vegane Ernährung: Wie gefährlich ist sie wirklich?

Vegetarismus ist längst keine Modeerscheinung mehr, immerhin ernähren sich ganze sechs Millionen Deutsche fleischfrei und verzichten aus Überzeugung auf Schinkenstullen und Hähnchenschenkel. Jeder zehnte davon nimmt das Ganze noch etwas genauer. Veganer streichen jegliche tierische Produkte von ihrem Speiseplan: Eier, Käse, Bienenhonig — selbst Sahnebonbons sind den Hardlinern strengstens verboten. Doch wie gesund kann vegane Ernährung wirklich sein? Wir haben mit einer Expertin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. gesprochen.

Alles Gemüse oder was? Veganer sollten unbedingt auf eine ausgewogene Ernährung achten (Bild: thinkstock)
Alles Gemüse oder was? Veganer sollten unbedingt auf eine ausgewogene Ernährung achten (Bild: thinkstock)

Warum vegan leben?
Klar, wer an Laktoseintoleranz leidet, trinkt seinen Latte Macchiato mit Sojamilch und nimmt Abstand von Käsefondue und Sahnetorte. In der Regel sind es jedoch moralisch-ethische Beweggründe, die als Motivation hinter dem Essverhalten von Vegetariern und Veganern stecken. Eine bewusste Anti-Haltung gegenüber Massenzucht und -schlachtung ist ein maßgeblicher Anlass für die fleischfreie Ernährung — und die hat nachweislich gesundheitsförderliche Begleiterscheinungen! Vegetarier und Veganer treiben in der Regel mehr Sport und achten bewusster darauf, was sie ihrem Körper zuführen, das betrifft auch ein Bewusstsein für schädliche Rausch- und Genussmittel wie Zigaretten und Alkohol. Wissenschaftliche Studien belegen, dass Veganer wesentlich schlanker und gesünder als Mischköstler sind, deutlich seltener Bluthochdruck oder Probleme mit dem Cholesterinspiegel haben. „Vor allem rotes Fleisch kann das Risiko von Krebserkrankungen des Darms erhöhen", weiß Isabelle Keller, Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.

Veganer, die Hardliner unter den Vegetariern
In der Ernährungswissenschaft wird zwischen drei Arten des Vegetarismus unterschieden: der ovo-lakto-vegetabilen, der lakto-vegetabilen und der veganen Kost. Ovo-Lakto-Vegetarier lassen Fleisch weg, schreiben dafür aber Milchprodukte und Eier auf ihren Speiseplan. Die nächste Stufe ist das Vermeiden von Eiern, so dass neben Obst und Gemüse höchstens Käse und Co im Einkaufswagen landen. Veganer sind die Strengsten und ernähren sich ausschließlich von pflanzlichen Lebensmitteln, doch selbst hier gibt es noch eine Steigerung: „Rohkost-Veganer. Diese essen ausschließlich Ungekochtes, so dass verschiedene Gemüsesorten, wie Hülsenfrüchte etwa, wegfallen", erklärt Isabelle Keller. Da Bohnen und Erbsen nicht roh verzehrt werden dürfen, fehlt den Rohkost-Veganern ein wichtiger pflanzlicher Eiweiß-Lieferant.

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Welche Risiken birgt eine vegane Ernährung?
Eine abwechslungsreiche Speiseauswahl ist unbedingt von Nöten, um körperlichen Mangelerscheinungen bei veganer Ernährung vorzubeugen. Durch den völligen Verzicht auf tierische Lebensmittel werden dem Organismus wichtige Vitamine und Mineralstoffe vorenthalten — das kann bei Menschen fortgeschrittenen Alters schwerwiegende Folgen haben und vor allem in sehr jungen Jahren irreversible Schäden verursachen. Das wichtige Vitamin B12 etwa steckt ausschließlich in Fleisch und kann nicht über pflanzliche Lebensmittel aufgenommen werden, weiß Isabelle Keller. Vor allem werdende Mütter sollten daher ab und zu mal ein Hühnchen rupfen: „Das Vitamin B12 wird lange gespeichert und über die Plazenta und die Muttermilch an das Baby abgegeben", erklärt die Diplom-Ökotrophologin gegenüber Yahoo!. Ein Mangel kann bei Kindern zu irreversiblen Störungen des Blutbildes, einer verzögerten körperlichen Entwicklung und einer höheren Infektionsanfälligkeit führen. Doch das ist nicht alles: „Gerade in den ersten 30 Lebensjahren wird Calcium in die Knochen gelagert und dadurch der Grundstein für die Knochenfestigkeit gelegt!" Gerade Kinder, die viel und schnell wachsen, sollten sich auf starke Knochen stützen können und ausreichend Milchprodukte zu sich nehmen.

Fleisch: Ja oder nein?
Die Antwort liegt irgendwo in der Mitte, übertreiben sollte man es jedenfalls nicht. Der etwas schwammige Richtwert liegt bei 300 bis 600 Gramm in der Woche, die sich über die sieben Tage verteilen lassen, wobei die Menge je nach körperlicher Verfassung variieren kann. Die Empfehlung der Expertin lautet, den Schwerpunkt auf weißes Fleisch wie Geflügel und Fisch zu legen und sich von Wurst eher fernzuhalten. „Man sollte darauf achten, hochwertiges und fettfreies Fleisch zu kaufen, ebenso wie auf die Zubereitung. Scharf angebraten schmeckt ein Steak zwar besonders lecker, die Verbrennungen aber können schädlich sein." Vom strengen Veganertum rät die Expertin, zumindest im Kindesalter, entschieden ab; eine abwechslungsreiche ovo-lakto-vegetabile Ernährung hingegen hält sie für durchaus empfehlenswert: „Durch den Verzehr von Eiern und Milchprodukten wird der Körper zumindest mit Calcium und verschiedenen Vitaminen und Nährstoffen versorgt, die pflanzliche Lebensmittel alleine nicht leisten können!"

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Tipps für Veganer
Eine streng vegane Ernährung im Erwachsenenalter ist nicht unmöglich, doch ziemlich kompliziert: Hier ist es sehr wichtig, sich gut zu informieren, gesundes Getreide und Hülsenfrüchte so zu kombinieren, dass daraus gutes Eiweiß entsteht. „Eingefleischte" Veganer sollten sich darüber bewusst ein, dass sie ihren Körper möglicherweise unterversorgen — nicht bloß wertvolle Omega-3-Fettsäuren, die vor allem in Lachs stecken, fehlen. Der Griff zu gutem Öl, zum Beispiel Rappsöl, kann für Abhilfe sorgen. „Besonders die Mineralstoffe Eisen, Jod und Zink kommen zu kurz", warnt die Mitarbeiterin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, und diese gelte es zu substituieren. Eisen steckt vor allem in Fleisch, aber auch in Vollkorn, kann in der pflanzlichen Form allerdings nicht so gut vom Körper aufgenommen werden. Doch hierfür gibt es einen Trick: Vitamin C! „Essen Sie zu ihrem Vollkornbrot ein Stück Paprika oder trinken Sie einen Schluck Orangensaft, das wirkt wie eine Art Eisen-Transporter!", weiß die Ernährungsexpertin. Was die Vitamin-B12-Zufuhr anbetrifft, gibt es leider kein pflanzliches Geheimrezept. Hier rät Isabelle Keller zur Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln.