Kinderwunschbehandlung: Die Chancen sind gestiegen

Aufregung, Anspannung, Hoffnung, Zuversicht und dann doch wieder - bittere Enttäuschung! Es hat ein weiteres Mal nicht geklappt! Der Traum vom eigenen Baby ist wieder einmal geplatzt. In Deutschland bleibt jedes siebte Paar ungewollt kinderlos. Doch die gute Nachricht ist: Die Erfolgsaussichten, mit Hilfe einer Kinderwunschbehandlung schwanger zu werden, sind gestiegen! Was ist heute medizinisch möglich? Wer übernimmt die Kosten? Was bringt die Zukunft? Wir haben nachgefragt…

Viele Paare wünschen sich ein eigenes Kind (Foto: Thinkstock)
Viele Paare wünschen sich ein eigenes Kind (Foto: Thinkstock)

… bei der Hamburger Diplom-Psychologin Kirsten Khaschei. Zusammen mit dem Journalisten Tom Feibner hat sie den aktuellen Forschungsstand unter die Lupe genommen und ihn in ihrem neu erschienen Buch „Hoffnung Kind" (Stiftung Warentest, 16,90 Euro) zusammengefasst. Für Yahoo! Lifestyle beantwortet Sie die wichtigsten Fragen:

Frau Khaschei, wie viele Paare versuchen jährlich ihrem Glück durch eine Kinderwunschbehandlung nachzuhelfen?
Kirsten Khaschei:
Nach Angaben des deutschen IVF-Registers haben sich im Jahr 2010 etwa 47.500 Frauen reproduktionsmedizinisch behandeln lassen. (Anm. d. Red.: „IVF" steht für „In-vitro-Fertilisation" und umfasst alle aktuellen Techniken der Reproduktionsmedizin.)

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Wie groß sind die Erfolgsaussichten?
Kirsten Khaschei:
Das hängt von vielen Faktoren wie z.B. der individuellen Diagnose von Mann und Frau, der Art der Kinderwunschbehandlung und sehr stark auch vom Alter der Frau ab. Geschätzt geht etwa jedes zweite Paar ohne Nachwuchs aus der Behandlung. Zu der Zahl dieser Paare, die nicht schwanger werden, gehören aber auch die, die sich nur informieren und keine Behandlung beginnen oder die Behandlung wieder abbrechen. Grundsätzlich steigen mit jedem zusätzlichen Behandlungszyklus bei einer Frau auch die Chancen auf eine Schwangerschaft.

Sind die Chancen heute ein Kind zu bekommen im Vergleich zu den letzten Jahren gestiegen?
Kirsten Khaschei:
Ja, auf jeden Fall! 1996 wurde im IVF-Register noch eine durchschnittliche Schwangerschaftsrate von 24,1 Prozent pro Embryoübertragung erfasst, heute liegt sie schon bei 30,2 Prozent. Dazu muss man wissen, dass die natürliche Schwangerschaftsrate bei 27 bis 30 Prozent pro Zyklus liegt. Das bedeutet: Die Reproduktionsmedizin erreicht die natürliche Vorgabe zu 100 Prozent und das bei Paaren, deren Fruchtbarkeit gestört ist. Das ist schon beeindruckend!

Was hat die Reproduktionsmedizin in den letzten Jahren für Fortschritte gemacht?
Kirsten Khaschei:
Sie verfügt heute zum Beispiel über Medikamente, die eine individuellere und besser abgestimmte Stimulation der Eierstöcke ermöglichen. Auch die Behandlung der Keimzellen, Ei- und Samenzellen hat sich in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert. Und es werden laufend weitere Kriterien entdeckt, um genau die Eizellen herauszufinden, die in sich das Potential tragen, zu einer Schwangerschaft zu führen.

Was ist die erfolgversprechendste Methode?
Kirsten Khaschei:
Das hängt natürlich vor allem auch von den individuellen Voraussetzungen eines jeden Paares ab. Erfolgversprechende Methoden sind die In-vitro-Fertilisation (IVF). Auch die - Achtung, jetzt wird es kompliziert! - Intrazytoplasmische Spermieninjektion, auch ICSI genannt, ist sehr erfolgsversprechend. Im Unterschied zur IVF wird bei der ICSI nicht abgewartet, bis die Spermien die Eizelle befruchten, sondern ein Spermium wird unter dem Mikroskop in eine Eizelle injiziert.

Die Methoden der Reproduktionsmedizin haben sich verbessert (Foto: Thinkstock)
Die Methoden der Reproduktionsmedizin haben sich verbessert (Foto: Thinkstock)

Wer übernimmt die Kosten?
Kirsten Khaschei:
Grundsätzlich gilt, die Diagnostik des unerfüllten Kinderwunsches übernimmt die gesetzliche Krankenkasse. Was im Einzelfall noch auf Sie zukommt hängt von verschiedenen Faktoren ab: Was muss behandelt werden? Sind Sie gesetzlich oder privat versichert? Sind Sie und Ihr Partner verheiratet? Wie viele Behandlungszyklen wollen Sie durchführen lassen? Generell sollten Sie schon damit rechnen, dass die Kinderwunschbehandlung eine finanzielle Belastung mit sich bringt. Für eine In-vitro-Fertilisation muss z.B. ein gesetzlich versichertes Ehepaar einen Eigenanteil von etwa 2.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen.

Was ist der häufigste Grund bei Frauen bzw. bei Männern, dass es mit dem Kinder kriegen nicht klappt?
Kirsten Khaschei:
Bei einem Vergleich über die zurückliegenden Jahrzehnte fällt auf, dass die Qualität der Spermiogramme zurückgeht. Das heißt: Junge Männer heute produzieren deutlich weniger Spermien, die zudem weniger beweglich sind und weniger Normalformen aufweisen. Das ist mit ein Grund, warum es auf natürlichem Weg nicht klappt. Bei Frauen können vielfältige organische oder hormonelle Ursachen vorliegen, zum Beispiel nicht durchgängige Eileiter oder ein unregelmäßiger Zyklus. Da Frauen im Durchschnitt immer später Mütter werden, ist auch das Alter der Frau ein wichtiger Faktor, denn die Fruchtbarkeit nimmt mit zunehmendem Alter erheblich ab.

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Wie sieht die Zukunft der Reproduktionsmedizin aus? Was wird in 10 bis 20 Jahren möglich sein?
Kirsten Khaschei:
Es wird hoffentlich möglich werden schon in frühen Entwicklungsstadien zu erkennen, welche Eizellen mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einer Schwangerschaft führen. Dadurch könnte die Schwangerschaftsrate steigen und die Zahl der zu übertragenden Embryonen reduziert werden. Spannend bleibt auch das Thema wie und auf welchen Wegen sich Psyche und Körper gegenseitig und dadurch die Fruchtbarkeit beeinflussen können. Unklar ist auch noch, welche Rolle genetische Faktoren beim Eintritt einer Schwangerschaft spielen.