Südliche Weinstraße: Ein Leben für die Reben

Wenn man die Orte entlang dieses Teiles der Deutschen Weinstraße erlebt, gibt es eigentlich kaum noch einen Grund, sich in den Flieger zu setzen: Die Welt an der Südlichen Weinstraße ist genug.

Eine Broschüre soll dem Pfalz-Besucher die Fragezeichen aus dem Kopf nehmen. Sie nennt sich schlicht "Freizeittipps" und listet 357 Ausflugsempfehlungen auf. Damit wäre ein Jahresaufenthalt im Südwesten der Republik mit Leben erfüllt, aber wenn man genauer nachliest, verdichten sich die Beiträge zum Urlaubsglück auf die Südliche Weinstraße. Das ist eine durch und durch weinselige Region mit einer gleichnamigen Route, die gut 30 Kilometer von Bad Bergzabern bis Bockenheim führt und so eine Etappe der Deutschen Weinstraße bildet. Rechts und links von ihr liegen jene blühenden Landschaften, die unser ehemaliger Kanzler aus der Pfalz anderswo gerne gehabt hätte: Mit romantisch-verträumten Dörfern, in denen sich Weinreben über Straßen und Gassen spannen, und mit farbigen kleinen Häuschen, in denen man sich Puppenstuben vorstellen möchte, um dann verblüfft zu registrieren, dass sich gefühlt hinter jeder zweiten Mauer ein Weingut verbirgt.

Das ist die Heimat der Winzer, deren jüngere Generation in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren eine Revolution ausgelöst hat. Wo früher Fassweine im Massenausschank dominierten, werden heute Produkte in Flaschen abgefüllt, die sich weltweit mit den besten Tropfen messen. Deshalb kommen die meisten Touristen und fühlen sich wie Kurt Tucholsky, dessen Stoßseufzer zum Zitatenschatz wurde: "Schade, dass man Wein nicht streicheln kann." Aber damit man sich nicht von einer Weinprobe zur nächsten begibt, um schließlich zu bedauern, dass man den Kater nicht streicheln kann, reduziert sich hier beileibe nicht alles auf Riesling, Burgunder, Pinot Noir und Co. Womit wir wieder bei den Ausflugtipps wären: Exakt 109 der 357 pfälzischen Aktivitäten spielen sich an der Südlichen Weinstraße ab. Hinter ihnen stehen Menschen, die hier fest verwurzelt sind und mit Begeisterung tun, was sie tun. Einige von ihnen stehen stellvertretend für alle.

Die Schwaabs und ihre Dorfchronik

Dorfchronik - ein ungewöhnlicher Name für ein Restaurant, das in diesem Jahr mit dem Gastronomiepreis "So schmeckt die Südpfalz" als Geheimtipp der Region ausgezeichnet wurde. Aber bevor man sich in die Speisekarte vertieft, kommt auf der ersten Seite die Erklärung: Der Name soll an die berühmtesten Söhne und Töchter der 4.000-Seelen-Gemeinde Maikammer erinnern. Ein General von Napoleon war darunter, auch eine berühmte Schauspielerin. Wer es genauer wissen will, fragt Gastgeberin Marion Schwaab nach Terminen für das "History-Dinner", das von einer Lesung über die Geschichte von Maikammer begleitet wird. Wenn die so spannend ist wie die Chronik unseres Abendessens, gehört der Abend in die Kategorie "Großartig". Die Schwaabs, die sich mit dem Restaurant einen Traum erfüllten, hatten neben einer gemütlichen Einrichtung auch bei der Verpflichtung von Chefkoch Sascha Schröder ein gutes Händchen. Empfehlenswert sind seine Wildspezialitäten, begleitet von einem feinen Roten aus dem hauseigenen Sortiment. Denn auch das Weingut Stefan Schwaab ist Familienbetrieb.

Ein Weinberg zur Kommunion des Winzersohnes

In Hainfeld, Weinstraße 47, traut man nach der Einfahrt in den Hof seinen Augen nicht. Dort steht, umgeben vom Ensemble alter Gebäude mit Fachwerk und kleinen Fenstern, als perfekter Kontrast ein ultramoderner Designbau aus Glas und Stahl. Er ist Degustationsstätte, Verkaufsraum und Büro des Weinguts Borell-Diehl in einem. Die alten Lagerhallen mussten der Zukunft weichen - ein Zeichen des Generationenwechsels, der an vielen Orten entlang der Südlichen Weinstraße stattfindet. Annette Borell-Diehl, Chefin und Winzermeisterin, sicherte frühzeitig die Nachfolge im traditionsreichen Familienunternehmen aus den 30-er Jahren. "Wir haben unserem Sohn zur Kommunion einen eigenen Weinberg geschenkt", erzählt sie. "Dort lernte er mit dem Großvater in Handarbeit das Geschäft früh kennen." Heute ist Georg 24 Jahre jung, ausgebildeter Weintechniker und aus dem Unternehmen nicht mehr wegzudenken. 280.000 Liter geben die 30 Hektar Weinberge jährlich her, exportiert wird bis nach New York. Und dennoch ist die Vergangenheit immer präsent: An den Wänden hängen alte Schwarzweiß-Fotografien, ein dreigeteiltes Bild zeigt den Teufelsberg, den Hausberg von Borell-Diehl. Dort wachsen die Trauben für den Riesling "Hainfelder Kapelle", den Kenner für teuflisch gut halten.

Von der Bauruine zum königlichen Café

Die Wittelsbacher, die in längst vergangenen Sommern in der Villa Ludwigshöhe hoch über Edenkoben residierten, hätten es wohl für ziemlich schick gehalten, dass unten im Tal ein Café nach einem ihrer Könige benannt wurde. Ludwig 1 heißt es und ist der Insidertipp 1 im Örtchen Rhodt unter Riedburg. Karin Breuner hat das Café, vor dem die Gäste an manchen Nachmittagen Schlange stehen, gemeinsam mit ihrem Mann Steffen aus einer Bauruine geschaffen. Dabei ist die quirlige Chefin Quereinsteigerin, aber genau das ist wohl das Geheimnis ihres Erfolges. Denn Breuner macht alles anders als andere. Die Kuchen sind von Hausfrauen gebacken, die Quiche hat außer dem Namen wenig mit dem französischen Original zu tun, und die Holunderblütenbrause kommt vom Kleinproduzenten Latour's. "Ich wollte einfach mein eigenes Ding machen", sagt die gelernte Grafikerin Karin Breuner. Und so ist im Hinterhof des Café Ludwig 1 auch alles anders. "Zweite Heimat" nennen sich drei Appartements, deren alternative Einrichtungen auch schon Wohnzeitschriften aufgefallen sind. Sie heißen "König Ludwig" (natürlich), "Pfälzer Wald" und "Blütenfest", und halten mit ihrem gemütlichen Ambiente, was die Namen versprechen.

Par Terre: Bei Anruf Wein

Stellen Sie sich vor, dass sich 55 konkurrierende Unternehmer zusammentun, je 5.000 Euro in einen Topf werfen und gemeinsam ihre Produkte verkaufen. Genau mit diesem Konzept entstand mit der Par Terre in Landau die wohl größte regionale Vinothek der Republik. In einem alten, stylischen Backsteinbau, der an das Gelände der eben zu Ende gegangenen Landesgartenschau grenzt, präsentiert und verkauft diese außergewöhnliche Winzergemeinschaft seit 2014 eine Auswahl von 230 Weinen. Für das Innendesign holte man sich mit Michael Michalsky einen Künstler, der vom Thema Wein zwar keine Ahnung, dafür reichlich Fantasie hatte. Und die Besucher der Blütenshow sorgten für guten Startumsatz, den es künftig auch ohne sie geben wird - Christine Ludt, die junge Geschäftsführerin, wird es schon richten. Als Winzerertochter macht ihr beim Thema Wein keiner etwas vor, und kreativ ist sie auch. Die Afterwork-Parties im Par Terre sind ein Renner, es gibt Ausstellungen, Seminare und Tagungen. Und für die Bewohner der neuen Wohnsiedlung im "Park der Generationen", wie das Gelände nach der Landessgartenschau heißen wird, hat Christine Ludt auch schon einen Plan: "Wenn sie einen Wein brauchen, müssen sie nur anrufen. Wir liefern frei Haus, auch wenn es nur eine Flasche ist."

Wenn Ulli, Gudan und Duke gut drauf sind

"Wenn die Zossen gut drauf sind, kann ich Ihnen etwas über Landau erzählen", sagt Kutscherin Ulli Schultz. Die Zossen, ein Brauner namens Gudan und ein Schwarzer, der auf Duke hört, sind brav. Und Ulli, die seit 25 Jahren im der Komfortkutsche Landauer (hat nichts mit Landau zu tun) Touristen durch Landau führt, erzählt eine Menge über die größte Stadt an der Südlichen Weinstraße. Was genau, erfährt man für fünf Euro bei der Stadtrundfahrt mit Hufgetrappel - vorausgesetzt, die Zossen sind gut drauf.

Ein echter junger Wilder und eine neue Freundin

Der Begriff der "jungen Wilden" ist inflationär. Besonders gern genommen für talentierte Ausnahmeerscheinungen in Küche und Keller. Wer aber die funkelnde Leidenschaft in den Augen von Dominik Stein sieht, weiß, wer gemeint ist. Schon mit 20 hat der inzwischen 32-jährige Önologe aus Hochstadt das Weingut seiner Eltern übernommen. Das ist mit nur neuneinhalb Hektar relativ klein, aber Stein junior hat etwas daraus gemacht. Im Wettbewerb um die Sauvignon Blanc Trophy landete sein Fumé 2014 punktgleich mit dem Sieger auf dem zweiten Platz, und die renommierte Weinkritikerin Jancis Robinson nannte ihn "a new Pfalz star". Aber nicht nur seines Sauvignons wegen - Stern macht einfach alles: Weiß, rot, rosé. "Ich bin neugierig darauf, was ich aus einer Rebsorte herausholen kann." Dies macht er in kleinen Mengen in einer hohen Qualität. Und so ist er ein Getriebener im positiven Sinn, voller Leidenschaft, Ehrgeiz und Liebe zu dem, was er tut. Dominik Stein sagt: "Ich möchte mich mit den Besten der Welt messen." Auch beim Gin, den hat er zum Spaß kreiert hat und der jetzt ein Insidertipp mit Nummer ist: Stern 44. Kommt von: 44 Zutaten, 44 Prozent Alkohol, 44 Euro.

Weitere Informationen: www.suedlicheweinstrasse.de

Foto(s): Tourismus Südliche Weinstraße, Uli Eder, Uli Eder, Uli Eder, Uli Eder, Uli Eder, Uli Eder