"Lieben lassen": Nicht das deutsche "50 Shades of Grey"

Das Autorenduo von "Lieben lassen": Ariane Sommer und Roman Libbertz

Ein Liebesroman, der sich um die entstehende Beziehung zweier Menschen dreht. Klingt langweilig? Ist es aber nicht. Denn in "Lieben lassen" wurde ein ganz besonderer Schreibstil gewählt: Die Geschichte ist aus zweierlei Perspektiven geschrieben - von zwei verschiedenen Autoren. Das ist zum einen Ariane Sommer (38), bekannt als deutsches It-Girl der 1990er-Jahre. Und zum anderen der Münchner Schriftsteller Roman Libbertz (38). Die Nachrichtenagentur spot on news traf beide zum Gespräch und erfuhr, dass hinter dem Roman viel mehr steckt, als man zunächst vermuten würde.

Ihr gemeinsames Buch erzählt die Liebesgeschichte der Protagonisten Alex und Tom, die sich kennenlernen und verlieben. Doch es klappt nicht so richtig: Er ist auf der Suche nach einer Beziehung, sie will sich nicht binden. Dabei schildern Sie die Geschichte aus den Perspektiven der beiden. Sie, Frau Sommer, übernehmen den weiblichen Part, Herr Libbertz den männlichen. Was hat sie zu diesem Buch-Format inspiriert

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Libbertz: Ich bin in einem Antiquariat auf ein Buch gestoßen, in welchem diese Technik angewendet wurde. Wir haben uns gewundert, warum man diese sonst so selten sieht. Schließlich entsteht dadurch ein immenser Sog, der die Geschichte so spannend macht.

Viele Stellen drehen sich rund um Sex. Dieser wird dabei auch ausdrücklich beschrieben. Ist es Ihnen schwer gefallen darüber zu schreiben?

Sommer: Das ist sehr unterschiedlich. Für mich ist es wie Ying und Yang: Einerseits sehr konstruiert, da ich sehr visuell schreibe und wirklich Bilder beim Leser erzeugen will, andererseits ist es ein völliges Loslassen, weil ich mich von mir selbst entfernen muss.

Libbertz: Es ist aber generell kein Sex-Buch, wie es in manchen Medien beschrieben wurde. Als ich das las, dachte ich mir nur: Die armen Menschen, die sich das Buch in dieser Erwartung kaufen, werden ganz schön enttäuscht sein. Sex gibt es erst auf Seite 53. Es ist sicherlich nicht das deutsche "Fifty Shades of Grey".

Wieviel von Ihnen selbst steckt in den Romanfiguren? Würden Sie in mancherlei Hinsicht genauso handeln? Sie, Frau Sommer, waren früher ja auch selbst viel unterwegs, genau wie die Protagonistin Alex.

Sommer: Ja, bei mir und meiner Figur gibt es einige Parallelen. Zum Beispiel die Rastlosigkeit und das Verschieben von dem, was man als Heimat versteht, oder auch eine solche nicht zu haben. Auch die Suche nach einer Definition von sich selbst durch äußere Impulse, abseits von dem, was man im Inneren wirklich ist. In dem Sinne habe ich es Anfang 20 sicher ähnlich gehalten.

Die Hauptfiguren haben Schwierigkeiten sich auf eine Beziehung einzulassen. Denken Sie, dieses Verhalten ist typisch für die heutige Zeit?

Sommer: Ja, ich empfinde das stark so. Ich will mir gar nicht vorstellen, dass ich heute auf den Dating-Markt müsste, wo Liebe eigentlich zu einer Konsumware verkommt. Entscheidungen treffen und sich festlegen will ja fast keiner mehr. Aber genau das, also keine Entscheidung zu treffen, ist für mich das Schlimmste. Aber ich denke, dass dies verstärkt ein Phänomen unserer Zeit ist.

Untypisch ist eher die Verteilung im Buch: Der Mann will eine Beziehung, die Frau nicht. Das Klischee ist ja eigentlich genau umgekehrt, oder?

Libbertz: Ich glaube, dass es so gar nicht mehr ist. In der Generation, die heute 20 ist, denke ich, dass die Frauen um einiges stärker sind als die Männer. Das Bild der typischen Rollenverteilung gibt es ja gottseidank nicht mehr. Im Gegenteil, wenn ein Mann heutzutage viele Sexpartnerinnen hatte, stößt das eher ab.

Sommer: Dem stimme ich zu. Die Weiterentwicklung der Geschlechterrollen ist jetzt sehr aktuell. Bis vor wenigen Jahren galten die alten Klischees eben noch, aber wir haben begonnen, uns davon zu lösen.

Im Roman lässt Alex Tom ja ganz schön zappeln. Macht es eine Frau attraktiver, wenn sie sich zu Beginn ein wenig zurückzieht?

Libbertz: Jemanden zappeln zu lassen, ist eine Taktik und ich finde, alles was man im Leben über Taktiken macht, stellt nie zufrieden. Aber grundsätzlich gibt es zwei Dinge, die für einen Mann reizvoll sind: Entweder die Frau ergibt sich sofort und fällt damit in das alte Rollenbild zurück, oder sie ist stark. Und das ist das eigentlich Wichtige, wenn ich jemanden suche, mit dem ich durch Leben gehen will.

Als Tom Alex das erste Mal begegnet "dreht er sich um und es fällt ihm etwas auf den Kopf. Nicht wirklich, aber es kommt dem Gefühl am nächsten". Glauben Sie selbst an die sagenumwobene Liebe auf den ersten Blick?

Sommer: Für mich gibt es diese. Denn unser Gehirn, oder das Unterbewusstsein, verarbeitet im ersten Moment viel mehr Impulse, als wir mitbekommen. Und wenn man das Glück hatte, es schon einmal zu erleben, weiß man: Das gibt es. Aber es ist sehr, sehr selten.

Foto(s): [M]ddp images/Sarah Rebellato