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Kai Lüftner: Deshalb brauchen wir "Kacke" und Furz-Geräusche

Kinderbuchautor Kai Lüftner

Bevor er zu schreiben begann, war Kai Lüftner unter anderem Streetworker, Sozialarbeiter, Türsteher, Musiker und Kabarettist. Dass Kinderbuchautoren so wenig wahr genommen werden, stört ihn, vor allem, weil "jeder Z-Promi, der bei 'GZSZ' mal ein Stoppschild gehalten hat und später seine Biografie rausbringt", heute als Bestsellerautor bejubelt werde. Welche Diskussion ihn außerdem "total nervt", was an seinen Büchern anders ist und warum er dafür ist, auch mal "Kacke" zu sagen, verrät Lüftner, dessen CD "Rotz 'n' Roll Radio - Partypiepel" (Der Audio Verlag, 12,99 Euro) am 1. April erscheint, im Interview mit spot on news.

Ihre neue CD "Rotz 'n' Roll Radio - Partypiepel" ist "garantiert nicht pädagogisch wertvoll". Was kann man sich darunter vorstellen?

Kai Lüftner: Ich verzichte auf Kraftausdrücke, bin aber dafür, auch mal "Kacke" zu sagen oder ein Furz-Geräusch einzubauen. Kinder amüsieren sich nun mal über sowas. Das ist nicht schlimm, man muss aber natürlich mit ihnen darüber sprechen, dass das nicht beim Abendessen oder in der Schule nachgemacht wird. Mit "Partypiepel" wollte ich zudem keine Musik für ein bestimmtes Alter machen - es ist nach oben offen. Ich möchte eine Brücke schlagen zwischen Jung und Alt. Jeder Musikstil ist vorhanden von Punk bis Klassik. Die Kinder sollen verstehen, wie vielseitig Musik sein kann.

Setzen Eltern heutzutage zu sehr auf pädagogisch wertvolle Inhalte?

Lüftner: Da klafft meiner Meinung nach eine große Lücke. Es gibt Eltern, denen alles egal ist und die ihren Kindern von RTL bis McDonalds irgendetwas vorsetzen. Auf der anderen Seite sind da diese politisch überkorrekten Leute, die ihre Kinder mit zwei in einen Yoga-Kurs schicken oder zum Chinesisch für Vorschulkinder. Der Bereich dazwischen stirbt weg - oder besser gesagt: Diese Individualisten nehmen sich nicht mehr als Gruppe wahr. In diesem Bereich will ich stattfinden.

Und das mit Erfolg, Ihre Musik und Ihre Bücher werden hochgelobt - obwohl Sie noch nicht lange in der Branche sind...

Lüftner: Ich habe angefangen, zu schreiben, als ich mich dabei ertappt habe, dass mir beim Vorlesen für meinen Sohn bei einigen Büchern echt schlecht wurde: bei diesen ganzen angeblich so pädagogisch wertvollen, politisch korrekten bis zum Erbrechen gegenderten Büchern. Ich konnte nicht mehr verhehlen, dass ich das so hasse, was ich hier lese, dass es sich auf das Zuhörverhalten meines Sohnes übertragen hat. Ich will nicht nur geschlechterübergreifend schreiben, sondern auch Literatur und Musik machen, die für Kinder toll ist, Erwachsene aber nicht ausschließt. Nicht jeder Witz muss sich dem Kind erschließen, der kann auch mal nur den Eltern vorbehalten sein. Es ist wichtig, dass die Spaß haben beim Vorlesen.

Was ist das Besondere an Ihren Büchern?

Lüftner: Ich versuche nicht für eine bestimmte Zielgruppe zu schreiben. Die großen Kinderbuchklassiker wie "Die Unendliche Geschichte", "Tom Sawyer" oder "Pippi Langstrumpf" waren auch für alle gedacht. Beim "Kaff der guten Hoffnung", vom dem gerade der dritte Teil erschienen ist, verwende ich ganz komplizierte Satzstrukturen und sehr unkonventionelle Wortschöpfungen. Die Haltung des Erzählers, der sich einmischt, ist fast ein bisschen absurd und schräg, wie man es aus der englischen Literatur kennt. Ich bin inspiriert von Roald Dahl ("Matilda", "Charlie und die Schokoladenfabrik") oder Lemony Snicket ("Der schreckliche Anfang").

Kinderbuchautoren sind heutzutage kaum bekannt....

Lüftner: Das stimmt und das finde ich echt krass. Ein Frank Schätzing oder Sebastian Fitzek werden wie Popstars verehrt. Jeder Z-Promi, der bei "GZSZ" mal ein Stoppschild gehalten hat und später seine Biografie rausbringt, wird durch jede Talkshow der Republik gejagt, gilt als Bestsellerautor, wenn er 30.000 bis 40.000 Bücher verkauft hat und ist dann wieder weg vom Fenster. Wir Kinderbuchautoren finden dagegen nicht statt. Ich komme selbst aus der Werbung, habe für Comedy-Formate geschrieben und kann nicht verstehen, dass die, die die Inhalte für Kinder machen, so wenig Aufmerksamkeit bekommen. Vielleicht kennt man noch Kirsten Boie, Cornelia Funke und Andreas Steinhöfel.

Lesen Kinder heute weniger?

Lüftner: Kinder lesen heute auch noch gerne, man muss sich nur bei der Präsentation was einfallen lassen, nicht nur auf der Bühne. Die Jugendbücher sehen doch schon von außen alle gleich aus. Man sollte sich da auch der neuen Medien bedienen, es gibt zum Beispiel schon animierte Bücher für Tablets und Smartphones.

Bekommt man damit Lesemuffel zum Lesen?

Lüftner: Wir müssen uns nicht wundern, dass Kinder nicht lesen, wenn sie 12 Jahre alt sind, kein einziges Buch zu Hause haben, noch nie in der Bibliothek waren, aber jede Tastenkombination von "Grand Theft Auto" kennen. Das kann auch der beste Autor nicht auffangen, das muss aus dem Elternhaus kommen. Die Erwachsenen sind in der Verantwortung, dass sie den Kindern diese Welt eröffnen. Man darf den Kids nicht Trash-TV als einzige Inhalte präsentieren. Wir stehen in Konkurrenz zu sehr vielen abgefahrenen Medien, aber die werden meiner Meinung nach nie die Printmedien oder die Fantasie ablösen.

Wann sollen Kinder an PC, Smartphones und Tablets herangeführt werden?

Lüftner: Diese Diskussion nervt mich mittlerweile total. Mein fünfjähriger Sohn spielt immer noch lieber draußen, mit seinen Autos oder seiner Holzeisenbahn als am Tablet. Er darf das aber. Und ich finde das auch wichtig. Kleine Kinder benutzen diese Geräte ganz intuitiv.

Welche Bücher sollte ein Kind im Laufe seiner Kindheit auf alle Fälle gelesen haben?

Lüftner: Neben den Klassikern ist eines meiner Lieblingsbücher "Spuk unterm Riesenrad" von Claus-Ulrich Wiesner. Ganz toll ist auch die Trilogie rund um Rico und Oskar von Andreas Steinhöfel und "Detektiv Pinky" von Gert Prokop. Ich mag Außenseiter, die aus einer vermeintlichen Schwäche eine Stärke machen. Das kommt auch immer wieder in meinen Büchern vor.

Sie haben schon ziemlich viele Jobs gemacht. Was ist das schönste an Ihrem jetzigen?

Lüftner: Ich bin jetzt 40 und habe vor drei Jahren angefangen mit diesem Job. Und jetzt weiß ich, dass ich mich gefunden habe - das ist genau mein Ding. Ich liebe es, für Kinder zu schreiben. Für 2015 steht zudem auch Radio und viel Fernsehen an.