Wie viel Intimsphäre braucht eine gesunde Beziehung?

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Er sitzt morgens auf der Toilette und verrichtet sein Geschäft, sie steht am Waschbecken und pult sich mit dem Wattestäbchen ausgiebig im Ohr.

Manch einer wird sich und seinen Partner in dieser Szene wiedererkennen. Doch auf andere wirkt so viel Intimität eher beklemmend oder ist schlicht unvorstellbar. Da drängt sich die Frage auf, wie viel Intimsphäre eine Beziehung eigentlich braucht. Und wie viel sollten Sie sich, vor allem im Hinblick auf ein aufregendes Liebesleben, besser bewahren?

Die Grenzen verwischen mit der Zeit
Besonders wenn man frisch verliebt ist und den anderen kaum kennt, möchte man sich natürlich nur von seiner Schokoladenseite zeigen: Wir legen unser bestes Parfum auf, störende Härchen und Bartstoppeln werden entfernt, von ungepflegten Nägeln, Hornhaut und fettigen Haaren keine Spur.

Schon vor dem Frühstück huschen viele schnell ins Bad, um sich wenigstens die Zähne zu putzen und unattraktive Schlafspuren aus dem Gesicht zu waschen. In dieser Zeit ist "Alltag" noch ein Fremdwort und man bemüht sich sexy und geheimnisvoll auf das Objekt seiner Begierde zu wirken.

Aber irgendwann holt uns der tägliche Trott ein: Stress im Job, Kinder, Haushalt und anderweitige Verpflichtungen lassen mit der Zeit die Grenze zwischen peinlich und einfach nur menschlich immer mehr verwischen. Dann fällt man auch gerne wieder in alte und wenig appetitliche Muster zurück.

So geht etwa aus einer repräsentativen Umfrage des Offenbacher Marplan-Instituts hervor, dass gerade mal 62 Prozent der Männer täglich eine frische Unterhose anziehen. Die Schmuddel-Quote bei Frauen liegt deutlich darunter, nämlich bei 80 Prozent. Das klingt wenig sexy, keine Frage, entspricht aber anscheinend der Realität in deutschen Haushalten.

Doch wie attraktiv kann man seinen Partner noch finden, wenn der jeden Morgen während seines Toilettengangs die Tür sperrangelweit offen lässt und es nichts, wirklich nichts mehr gibt, wobei Sie ihm nicht schon Gesellschaft geleistet hätten?

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Man kann das natürlich aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachten. Wenn es nichts gibt, wofür man sich vor dem anderen schämen muss, enthemmt das natürlich ungemein, schafft Vertrauen und gibt einem Sicherheit.

Andererseits kann es auch gut möglich sein, dass der Mensch, den man vor einem Jahr noch so unglaublich heiß gefunden hat, ganz schnell seine Attraktivität verliert, wenn man ihm dabei zusieht, wie er sich Socken-Fussel zwischen den Zehen herausfummelt und an der Hornhaut rumknibbelt.

Kein Paar ist wie das andere
Für die Realität einer Beziehung machen diese zwei "Extrempositionen" aber eher keinen Sinn. Tatsache ist: Wenn die Schmetterlinge im Bauch erst mal verschwunden sind und im alltäglichen Zusammenleben immer mehr Hemmungen fallen, ist das ganz normal. Wie weit in einer Partnerschaft dann die Schamschwelle tatsächlich sinkt, ist jedoch von Paar zu Paar unterschiedlich.

Während der eine vielleicht schon bei der Mundhygiene an seine persönliche Intimitätsgrenze stößt, stört es andere keineswegs, auch die Intimrasur vor ihrem Partner durchzuführen. Letztendlich hängt es von uns und unserem Partner ab, was wir als zu peinlich, zu intim oder zu nah definieren. Beide müssen sich darüber im Klaren sein, wo ihre persönlichen Grenzen und die des anderen liegen.

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Sexappeal braucht auch Geheimnisse
Genauso wie mit der Zeit gewisse Schamgrenzen sinken, kann auch die anfangs so aufregende, erotische Spannung nachlassen, während man sich immer vertrauter wird. Nicht selten beschleunigt der völlige Verzicht auf die eigene Intimsphäre und die des Partners diesen Prozess.

Wachsendes Vertrauen in einer Beziehung wird leider oft mit einer Art Freibrief, sich komplett gehen zu lassen, verwechselt. Da ist es dann auch kein Wunder, dass ihr Partner sich nicht leidenschaftlich auf Sie stürzt, wenn er Sie öfter beim Schneiden der Zehennägel sieht als in scharfen Dessous.

Denn Sexappeal, Lust und Anziehungskraft leben von der Überraschung, von kleinen Geheimnissen und vor allem von Phantasie. Wenn dafür in einer Partnerschaft kein Raum mehr vorhanden ist, rückt prickelnde Erotik zu Gunsten von weniger attraktiven Alltags-Bildern schnell in den Hintergrund.

Sollte die Leidenschaft zwischen Ihnen und Ihrem Partner über die Jahre schon etwas auf der Strecke geblieben sein, versuchen Sie doch einfach ab und an, ihm wieder so zu begegnen wie in den ersten Wochen. Kurz nach dem Kennenlernen hätten Sie doch bestimmt nicht vor seinen Augen an einem muffeligen Shirt gerochen, um zu testen, ob Sie es vielleicht doch noch einmal tragen können?

Die goldene Mitte finden
Wie so oft im Leben empfiehlt es sich auch bei der wackligen Gratwanderung zwischen peinlich und vertraut, den goldenen Mittelweg einzuschlagen. Wenn man sich schon länger kennt, muss einem natürlich nicht mehr jede (menschliche) Kleinigkeit, wie etwa ein kurzes Aufstoßen, unangenehm sein.

Andersherum ist eine langjährige Beziehung aber keinesfalls eine Rechtfertigung dafür, der/dem Liebsten deftig ins Gesicht zu rülpsen, nachdem man einen Döner verdrückt hat und sich anschließend darüber totzulachen. Aus dem Alter, in dem Wettbewerbe à la "Wer kann am lautesten aufstoßen?" noch cool waren, sind Sie doch längst raus!

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Natürlich ist es auch absolut in Ordnung, vor seinem Partner auf die Toilette zu gehen, wenn's mal wirklich dringend ist. Aber tun Sie sich selbst und dem anderen einen Gefallen und verkneifen Sie sich das, wenn Sie ein großes Geschäft zu erledigen haben. Denn attraktiv wirkt dabei wirklich niemand.

Auch gegen eine Mani- oder Pediküre vor dem Partner ist nichts einzuwenden. Aber bitte nicht gerade am Frühstückstisch, wenn ihr Gegenüber sein Müsli löffelt. Da vergeht auch hartgesottenen Zeitgenossen der Appetit.

Falls Sie sich von solchen fragwürdigen "Intimitätsbeweisen" Ihres Schatzes unangenehm berührt fühlen, macht es keinen Sinn, sich schweigend und vielleicht sogar angeekelt abzuwenden. Versuchen Sie, darüber zu sprechen! Aber akzeptieren Sie auch, dass ihre eigenen Tabus nicht zwangsläufig denen ihres Partners entsprechen müssen. Kompromissbereitschaft heißt das Zauberwort.

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Wenn Ihr Lebenspartner sie mit einem Pupser nach dem anderen zur Weißglut bringt, sagen Sie ihm das auch. Natürlich sind die mit der Verdauung verbundenen Geräusche menschlich und Sie können es ihm ja schlecht verbieten. Aber zumindest können Sie mit ihm die Abmachung treffen, etwa nicht während des Essens zu pupsen.

Letztendlich hängt es alleine von Ihnen und dem Menschen an Ihrer Seite ab, wie Sie "Intimsphäre" in Ihrer Partnerschaft definieren. Wichtig ist nur, dass Sie sich beide einig sind, was (noch) in Ordnung ist und wo bereits Grenzen überschritten werden. Als Faustregel gilt: Erlaubt ist, was beiden Spaß macht!