Interview Dorothee Schumacher: “Wir denken über die Seele der Frau nach”

Freitagmorgen, 11 Uhr im China Club Berlin: In den weichen Ledersesseln sitzend, überblickt man durch die regennasse Panoramascheibe die Stelen des Holocaust-Mahnmals. Was für ein Kontrast zu den farbenfrohen Bildern und der warmen Einrichtung des exklusiven Clubs! Designerin Dorothee Schumacher hat ein Gespür für das perfekte Setting und vor allem für Menschen.

Designerin Dorothee Schumacher feiert mit ihrer Mode internationale Erfolge (Foto: Getty Images)
Designerin Dorothee Schumacher feiert mit ihrer Mode internationale Erfolge (Foto: Getty Images)

Nach drei Tagen Fashion Week-Wahnsinn betritt sie strahlend den Raum und eröffnet das Gespräch mit einem Kompliment: „Sie haben tolle Augen! Eine außergewöhnliche Farbe!" Sofort ist das Eis gebrochen und die Scheu vor der großen Modeunternehmerin verflogen. Die Designerin weiß einfach, was wir Frauen uns wünschen und was uns glücklich macht.

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Diese Empathie spiegelt ihre Mode und vor allem ihre neue Kollektion „Die neue Ära der Diven" wieder. Wir haben mit der vierfachen Mutter über den Zauber von Mannheim, den Reiz des Fernen Ostens und die Diven unserer Zeit gesprochen.

Wir sind hier mitten auf der Mercedes Benz Fashion Week Berlin, das heißt fünf Tage lang Champagner, Sternchen und viele Modenschauen. Kommen Sie überhaupt dazu, sich selbst andere Designer anzusehen?

Die einzige Schau, die ich mir anschauen kann, ist die von Wang Yutao, dem chinesischen Designer. Damit möchte ich ihm freundschaftlichen Respekt erweisen, denn er war auf unserer Modenschau in Peking und er war auch gestern hier. Wang Yutao war gestern wirklich gerührt. Es ist schön zu sehen, die Liebe zur Mode eine Verbindung zu jemandem schafft, der eigentlich so weit entfernt ist.

Wang Yutao als chinesischer Designer hat hier ja den Status eines „Exoten". China ist in Deutschland eher für billige Massenware bekannt, als für exklusive und individuelle Mode.

Das ist ein bisschen unser Bild. Ich muss selbst im Nachhinein über meine Vorstellung schmunzeln, die ich hatte, bevor wir nach Beijing (Anm. Red. Peking) auf die Fashion Week gekommen sind. Ich hatte die Idee, dass die chinesischen Models vielleicht sehr klein sind und habe mich gefragt, ob sie laufen können. Letztlich habe ich nur super professionelle Mädchen auf dem Laufsteg gehabt, mit einer Grazie, einer Schönheit und einer Größe, die Ihresgleichen in Europa sucht.

Geste des Respekts: Wang Yutao besuchte den Schumacher Salon (Fotos: Getty Images/ Schumacher)
Geste des Respekts: Wang Yutao besuchte den Schumacher Salon (Fotos: Getty Images/ Schumacher)

Wir haben heute Schubladen für Menschen, Märkte und sogar ganze Kontinente, darum muss man sich einfach näher kommen und austauschen. Ich habe mir immer ein sehr traditionelles China vorgestellt und dann ein extrem modernes China kennen gelernt. Was ich mitnehme ist, dass jede Reise es wert ist, um andere Menschen und Kulturen kennen zu lernen.

Auf der Fashion Week Beijing haben Sie als erstes europäisches Label Ihre Kollektion präsentiert und begeisterten damit das chinesische Publikum. Können Sie sich erklären, warum Schumacher überall auf der Welt beliebt ist?

Weil wir von ganzem Herzen etwas machen, das Frauen berührt. Wir denken über die Seele der Frau nach und ich glaube dass die Seele keine Grenzen kennt. Mit unserer Mode machen wir die Frauen nicht schön, wir unterstreichen ihre Schönheit durch unsere Mode. Diese Schönheit gibt es überall auf der Welt. Die Schönheit die ich sehe, kommt aus der einer inneren Haltung, der Klugheit und der positiven Kraft der Frauen, mit der sie die Welt ein Stück voran bringen.

Der Zauber vergangener Zeiten: Dorothee Schumacher im Kobe Museum (Foto: Schumacher)
Der Zauber vergangener Zeiten: Dorothee Schumacher im Kobe Museum (Foto: Schumacher)

Sie übersetzen in Ihren Kollektionen die Sehnsüchte der Frauen in Mode und kreieren damit „Lieblingsstücke". Wonach sehnt sich denn die moderne Frau?

Ich beobachte auf eine sehr empathische Art und Weise diese jungen Frauen, die eine hervorragende Ausbildung haben, sehr erfolgreich in ihrem Beruf sind und dabei nicht auf ein ausgewogenes Privatleben verzichten wollen. Diese Frauen sind unglaublich facettenreich und haben eine leuchtende Aura.

Für diese Frauen mache ich meine Kollektionen und diese Frauen sehnen sich danach, genau so sein zu dürfen, wie sie sind. Sein zu dürfen, heißt sich mit allen Stärken und den kleinen Schwächen anzunehmen und Schwächen nicht zu verstecken. Wenn wir unsere Schwächen auch noch lieben könnten, dann stünde uns Frauen von heute nichts mehr im Weg!

Ihre Mode ist tragbar und nicht nur für sehr schlanke Frauen gemacht. Gerade die aktuelle Kollektion „Die neue Ära der Diven" betont stark die Kurven der Frau.

Die aktuelle Kollektion unterstreicht noch einmal die Grazie, die wir nur von Diven vergangener Zeiten kennen.

Welche Diven haben Sie inspiriert, welche Bilder hatten vor Augen?

Ich hatte etwas wie eine Art Privataudienz bei der Haute Couture Schneiderin Madame Grès. Sie war eine Designerin der 30er und 40er Jahre und hat für die Diven der damaligen Zeit Roben gefertigt. Diese drapierten Preziosen 80 Jahre später selbst in der Hand halten zu dürfen und die Privatsammlung im Koi Museum entdecken zu können, war ein beeindruckendes Erlebnis.

Ich durfte sogar einige Stücke aus den Kisten heraus nehmen und die Feinheit der Arbeit fühlen: Diese Plissierungen, die sie für ihre Kundinnen, wie Greta Garbo gefertigt hat, das ist für mich „Made for you". Diese Aufmerksamkeit und diese Details haben schon den Frauen im letzten Jahrhundert gefallen und wir Frauen sind da heute nicht anders, das ist etwas Zeit übergreifendes.

Handwerkskunst und  Detailarbeit, die auch heute noch begeistert (Foto: Schumacher)
Handwerkskunst und Detailarbeit, die auch heute noch begeistert (Foto: Schumacher)

Darum arbeiten wir diese Details auch immer wieder in unsere Kollektionen ein. In unserer aktuellen Kollektion sehen wir viele, fast schon psychedelische Drucke, die mit grafischen und fast naiven Drucken kombiniert sind. Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen, aber mit viel Sensibilität lässt sich die Verbindung zwischen den Elementen schaffen. So eine feine Sensibilität sehe ich auch bei meinen neuen Diven, den modernen Frauen und das inspiriert mich. Ich glaube, dass Kleidung ganz viel für uns tun kann.

Kleider machen Leute?

Ich glaube nicht, dass Kleider Leute machen können — das wäre nur äußerlich und würde einem zweiten Blick nicht standhalten. Aber Kleidung kann den Charakter unterstreichen, wenn man sie mit Klugheit und Sensibilität auswählt. Darum denke ich, dass Schumacher nur von sehr sensiblen und mutigen Frauen getragen wird, die zu Gefühlen, ihren Gedanken und zu ihrer Figur stehen.

Haben Sie prominente Stammkunden, die am liebsten in Schumacher durch den Tag gehen?

Natürlich ist das toll, wenn Halle Berry oder Jessica Alba Schumacher tragen — wohlgemerkt im Alltag. Oder eine moderne Frauenikone wie Sarah Jessica Parker! Aber Schumacher ist nicht für Prominente gemacht, sondern für alle tollen Frauen, die den Mut haben ihre Kraft und Sensibilität zu zeigen.

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Sie haben vier Kinder und leiten ein internationales Modeunternehmen. Wie schaffen Sie es, das alles unter einen Hut zu bekommen?

Balance ist dabei sehr wichtig. Als Mutter von vier Kindern bekomme ich ganz viele Gefühle mit und mache aber auch selbst mein Herz ganz weit auf um vier besondere Menschen so lieben zu können, wie sie sind. Gleichzeitig habe ich eine Company, wo ich auch getragen werde von vielen Mitarbeitern und habe Menschen um mich, die ich auf professionelle Art auch liebe. Familie und Unternehmen ergänzen sich und ich kann sagen, dass ich da ein Glückskind bin.

Arbeit und Familie, daraus schöpfen Sie ihre Kraft?

Ja, das sind zwei Pole, die sich gegenseitig aufladen. Das ist es auch, was ich allen Frauen mit auf den Weg geben möchte: ein facettenreiches Leben zu führen. In meinem Team empfinde ich auch oft, dass das private Leben unglaublich wichtig ist. Ohne das kann man die Kreativität und Brillanz für diesen Beruf nicht entwickeln.

Ihr Unternehmen sitzt an einem tristen Standort: im Industriegebiet von Mannheim. Woher zieht man an so einem grauen Ort die Inspiration?

Jeder macht sich seine Welt ein bisschen wie sie ihm gefällt. Wir sitzen in Mannheim direkt am Hafenbecken in einer alten Backsteinfabrik, wo ich einen 360 Grad Blick nach draußen habe. Wenn man aus dem Loft in den Himmel sieht und die Natur so unmittelbar erlebt, bekommt man viel Kraft.

Die aktuelle Kollektion: Glamour und Grazie treffen auf selbstverständliche Lässigkeit (Fotos: Getty Images)
Die aktuelle Kollektion: Glamour und Grazie treffen auf selbstverständliche Lässigkeit (Fotos: Getty Images)

Außerdem bedeutet für mich in Mannheim zu sein, dass niemand etwas von mir erwartet. Ich kann dort frei sein und wie ich bin. Großstädte haben auch eine unglaublich inspirierende Kraft, aber die permanente Beschallung kann auch zu einer Überdosis führen und dann machen die Sensoren zu. Das passiert an diesem Standort nicht. Außerdem ist man von Mannheim aus sehr schnell am Flughafen Frankfurt und damit schnell in den Metropolen der Fashion-Welt.

Auf welche Trends dürfen wir uns im Herbst/Winter 2012/13 freuen?

Es kommt die V-Silhouette, mit großen Krägen, die unsere Trägerinnen „beschützen", und ausgearbeitet und großzügige Schulterpartien. Die Taille wird mit einem breiten Gürtel betont und die Grazie der Frau unterstrichen. Ein neues Element in der Fashion-Garderobe ist der Rock, mit dem man ein neues Statement gibt.

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Gerade geschnittene Hosen zeichnen die Figur, aber man nimmt sich auch die Freiheit „boyig" geschnittene Hosen zu tragen. Zopfstrickpullover sind auch ein großes Thema, vor allem kombiniert mit leichten nonchalanten Stoffen wie Seide. Auf der einen Seite stehen Glamour und Grazie, auf der anderen Lässigkeit und Selbstverständlichkeit. Ich könnte einfach stundenlang weiter reden, gerade jetzt, wo ich die Kollektion hier auf dem Laufsteg gesehen habe!

Bei der Schau ist eines der Models aus den Schuhen gerutscht…

Das fand ich fantastisch! Eigentlich darf so etwas nicht passieren, aber sie ist mit einer Würde weitere gelaufen und war nicht irritiert. Genau das ist wichtig: Egal was passiert, würdevoll weiter zu gehen, weiter in die Zukunft! In unserer Geschichte hat sich auch noch ein anonymer Ritter gefunden, der die Schuhe aufgehoben und vom Laufsteg getragen hat. Model und Ritter wurden beklatscht. Hier sieht man, man muss nur selbstbewusst sein und sich etwas trauen, dann jubelt einem das Publikum zu. Das war das schönste Statement, das ich mir für meine Show wünschen konnte.

Videos zu Schumacher: Kommen Sie mit Kady Backstage!

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