Baby-Neid! Meine Freundin ist schwanger

Wieso sie, wieso nicht ich? Ihre beste Freundin ist schwanger und statt sich mit ihr zu freuen, machen sich Neid und Missgunst in Ihnen breit: Seit Monaten, vielleicht seit Jahren wünschen Sie sich selbst nichts sehnlicher als ein Baby! Sie können jetzt unmöglich das Babyglück mit Ihrer Freundin teilen! „So eine erste Reaktion ist in Ihrer Situation völlig normal", beruhigt Diplom-Psychologin Kirsten Khaschei. Die Expertin erklärt woher diese Empfindungen kommen und wie Sie sich jetzt am besten verhalten.

Wer sich selbst ein Kind wünscht, kann sich oft schwer mit der schwangeren Freundin freuen (Foto: Thinkstock)
Wer sich selbst ein Kind wünscht, kann sich oft schwer mit der schwangeren Freundin freuen (Foto: Thinkstock)

Wer ist betroffen?
Am schwierigste ist die Situation für Frauen, die vor kurzem eine Fehlgeburt erleben mussten, keine Kinder bekommen können oder denen der passende Partner fehlt, mit dem es möglich ist, den Kinderwunsch in die Tat umzusetzen. Die Nachricht, dass die beste Freundin schwanger ist, kann in diesen Frauen eine ganze Flut von Gefühlen auslösen - auch Neid und Eifersucht. Und jetzt soll man sich auch noch mitfreuen über das Glück der anderen? Das scheint schier unmöglich. Die meisten Frauen absolvieren deshalb das Pflichtprogramm: Gratulieren brav und bringen Geschenke für das Baby. Der Kontakt mit der Schwangeren wird aber nach und nach reduziert - oft mit Hilfe kleiner Notlügen! Denn niedliche Babysachen shoppen mit der überglücklichen Freundin? Das können jetzt die wenigsten Betroffenen!

Lesen Sie auch: Kinderwunschbehandlung - Die Chancen sind gestiegen

Woher kommt der Neid?
„Neid ist ein gar nicht so seltenes Gefühl", sagt Kirsten Khaschei. Die Hamburger Psychologin und Buchautorin („Hoffnung Kind", Stiftung Warentest, 16.90 Euro) hat sich ausführlich mit den Themen Kinderwunsch und Schwangerschaft beschäftigt. Sie weiß, dass beide Themen sehr emotional erlebt und diskutiert werden - sowohl persönlich als auch gesellschaftlich. Die Expertin erklärt: „Ein Gefühl wie Neid entsteht immer dann, wenn Menschen sich und ihre Lebenssituation mit anderen vergleichen und zugleich bestimmte Klischees im Kopf haben, die sie dann als Maßstab setzen."

Das bedeutet: Wir sind nicht neidisch auf die Tatsache, dass die Freundin schwanger ist, sondern wir beneiden sie um das gute Gefühl, ihr Glück, das die Schwangerschaft in ihr auslöst. Wir stellen uns vor, wie ihr Partner ihr ebenso glücklich pausenlos den Bauch streichelt, wie sie gemeinsam das Babyzimmer einrichten und wie sie bald ein bezauberndes Baby im Arm halten werden. Dass eine Schwangerschaft auch anstrengend ist, dass der Freundin vielleicht oft übel wird, dass das zukünftige Elternpaar sich in den Babyfragen nicht immer einig ist und dass das Kind, wenn es auf der Welt ist, vielleicht häufig weinen wird oder die frischgebackenen Eltern nicht durchschlafen lässt - das sehen wir nicht. „Es sind diese unrealistischen Vergleiche, die uns neidisch machen", weiß die Psychologin, „aber wir können den Neid für uns auch als Signal deuten, um unsere eigene persönliche Lebenssituation genauer unter die Lupe zu nehmen. Spüren wir auch noch andere Gefühle außer Neid? Was können wir in unserem Leben verändern, um selbst zufriedener zu werden?"

Gefühle und Bedürfnisse akzeptieren

Wut, Trauer, Neid oder Verzagtheit: Wie auch immer die Gefühle gelagert sind, sie sind ganz normal und Sie sollten versuchen, sie anzunehmen. „Wichtig ist, dass Sie die eigenen Gefühle nicht negativ bewerten. Gefühle sind Gefühle und wenn Sie zum Beispiel neidisch oder traurig sind und weinen müssen, dann sind das zutiefst menschliche Regungen", sagt die Expertin. „Diese Empfindungen zeigen Ihnen, dass es Situationen, Menschen und Wünsche in Ihrem Leben gibt, die Ihnen nicht egal sind. Zum Beispiel Ihre beste Freundin oder der Wunsch, ebenfalls glücklich oder schwanger zu werden."

Jetzt ist es wichtig, dass Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse hören. Wollen Sie sich erst einmal zurück ziehen? Schaffen Sie es nicht, Ihre Freundin und das Baby regelmäßig zu treffen?

Das ist in Ordnung, Sie müssen sich zu nichts zwingen. Sie sollten aber versuchen, den Kontakt zu Ihrer Freundin - wenn auch mit einer längeren Pause - aufrecht zu erhalten. Als beste Freundin hat sie vielleicht schon gemerkt, dass Sie sich anders verhalten als sonst und wird wissen wollen, was mit Ihnen los ist. „Wenn Sie sich über Ihre persönliche Situation etwas klarer geworden sind, sollten Sie mit der Freundin sprechen. Vielleicht hilft es Ihnen auch, zwischenzeitlich mit einer anderen vertrauten Person - etwa Ihrem Partner, Ihrer Mutter oder einer anderen guten Freundin - zu reden", rät die Hamburger Psychologin. „Wer ehrlich und offen über Gefühle spricht, kann feststellen, dass es meistens kein „entweder" - „oder" gibt, sondern fast immer ein „und". Es muss also nicht so sein, dass Sie sich entweder total oder gar nicht mit Ihrer Freundin freuen, sondern es kann ja auch so sein, dass Sie sich mit Ihrer Freundin freuen und dabei trotzdem persönlich traurig sind, weil Sie auch gerne schwanger wären."

Lesen Sie auch: Schwangerschaft und Arbeit - So gefährlich wie Rauchen?

Auf die gute Freundschaft vertrauen
Vergessen Sie nicht: Eine gute Freundschaft wird gerade davon getragen, dass man sich Dinge und Gefühle erzählen kann, über die man nicht mit jedem spricht. Kirsten Khaschei beruhigt: „Für die meisten Frauen ist eine Schwangerschaft eine ganz besondere und sehr intensive Lebensphase. Für gute Freundinnen ist es gerade dann eine Bereicherung, wenn sie sich austauschen können und sich gegenseitig zeigen, dass sie füreinander da sind und dass sie sich vertrauen können - so wie sie es in ihrer langjährigen Freundschaft schon immer getan haben."