10 Tipps in der Schwangerschaft, die Sie besser ignorieren sollten

Mit dem positiven Schwangerschaftstest hagelt es von allen Seiten Verbote und gute Ratschläge: Der Frauenarzt verbietet Ihnen „sicherheitshalber" Sex, Ihre Mutter rät, die Katze wegzugeben und Ihre Freundinnen machen ein besorgtes Gesicht, als Sie von Ihrer anstehenden Flugreise erzählen.

„Lassen Sie sich nicht verrückt machen! Sie sind nicht krank, Sie sind schwanger", beruhigt Dr. Imma Müller-Hartburg. Die Gynäkologin aus Wien räumt ganz entspannt mit unnötigen Tipps und Einschränkungen in der Schwangerschaft auf.

Mit dem positiven Testergebnis kommen die ersten unnötigen Tipps (Foto: Thinkstock)
Mit dem positiven Testergebnis kommen die ersten unnötigen Tipps (Foto: Thinkstock)

1. „Streicheln Sie keine Katzen!"
Dr. Müller-Hartburg:
Nur allzu oft werden zu Beginn einer Schwangerschaft langjährige Hauskatzen einfach abgeschoben: Die Angst heißt Toxoplasmose. Das ist eine parasitäre Erkrankung, die durch den Kot von an Toxoplasmose erkrankten Katzen auf den Menschen übertragen werden kann. Nur wenn Sie sich während Ihrer Schwangerschaft zum ersten Mal mit Toxoplasmose infizieren sollten, können die Keime auf Ihr Kind übergehen und es schädigen.

Vielleicht hatten Sie aber schon einmal Toxoplasmose, dann kann Ihnen nichts passieren. Oder - das ist die häufigste Möglichkeit - Sie haben die letzten 20, 30 Jahre nicht explizit darauf geachtet, sich NICHT mit Toxoplasmose zu infizieren und trotzdem sind Sie nicht krank geworden. Warum sollten Sie also ausgerechnet in den kommenden Monaten Ihrer Schwangerschaft erkranken? Natürlich sollten Sie jetzt nicht unbedingt eine kranke Katze bei sich aufnehmen, aber sonst sehe ich keine Probleme!

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2. „Essen Sie keine Salami mehr!"
Dr. Müller-Hartburg:
Auch die Einschränkungen auf Ihrem Speiseplan haben Sie der Toxoplasmose-Angst zu verdanken. Wahrscheinlich hat Ihr Frauenarzt Sie davor gewarnt, in der Schwangerschaft rohes bzw. unzureichend durchgegartes Fleisch, Tatar, Rohschinken, Salami oder Rohmilchkäse zu essen. Diese Lebensmittel könnten schließlich den Toxoplasmose-Erreger enthalten.

Auch hier gilt wieder: Entweder Sie waren schon einmal infiziert, dann gibt es für Sie und Ihr Kind ohnehin keine Gefahr mehr oder Sie haben bisher häufig Sushi, Steak, Salami und Co. gegessen und sind nicht krank geworden! Wieso also jetzt?

3. „Meiden Sie Schwimmbäder, im Wasser lauern Keime!"
Dr. Müller-Hartburg:
Natürlich ist das Wasser im Schwimmbad eine gewisse Infektionsquelle. Das heißt aber noch lange nicht, dass Sie nicht schwimmen gehen dürfen! Grundsätzlich hat die weibliche Scheide einen Schutzmechanismus gegen Infektionen von außen. Dieser Schutz kann durch eine Schwangerschaft geringfügig herabgesetzt sein.

Sollte es beim Schwimmen tatsächlich zu einer Infektion kommen, handelt es sich häufig um eine Pilzinfektion. Die kann aber auch bei vielen Schwangeren auftreten, die nie schwimmen gehen! Ich halte sowohl eine Pilzinfektion, als auch die Medikamente dagegen für völlig unbedenklich.

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4. „In den ersten 12 Wochen sollten Sie nicht fliegen!"
Dr. Müller-Hartburg:
Sie sind schwanger, sehr schön! Aber warum sollten Sie jetzt nicht mehr fliegen dürfen? Das Fliegen ist mit Sicherheit keine Ursache für eine Fehlgeburt — die könnten Sie höchstens zufällig gerade haben, wenn Sie auch geflogen sind. Schließlich bekommen auch Stewardessen Kinder und fliegen genau in der „gefährlichen" Anfangszeit, in der sie oft noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Für mich ist der einzige Grund in den ersten zwölf Wochen vom Fliegen abzuraten, wenn es Ihnen selbst nicht gut geht. Wenn Ihnen häufig übel ist oder Sie gelegentlich Blutungen haben, steht Ihnen wahrscheinlich aber selbst nicht der Sinn nach einer Urlaubsreise.

5. „Schlafen Sie nicht mehr auf dem Rücken!"
Dr. Müller-Hartburg:
Vielen Schwangeren wird eingeschärft, nicht mehr auf dem Rücken zu schlafen. Das ist Quatsch! Natürlich gibt es einen Hintergrund für dieses Verbot: Bei Frauen ab der 30. Schwangerschaftswoche, wenn der Bauch schon größer ist, kann es passieren, dass die stark vergrößerte Gebärmutter auf ein großes Blutgefäß drückt, sobald die Schwangere auf dem Rücken liegt. Dabei wird den werdenden Müttern fürchterlich übel. Man spricht hier vom Cavasyndrom. Würde dieser Druck länger bestehen, wäre es tatsächlich ungünstig für das Baby.

Aber erstens führt die Rückenlage nicht automatisch bei jeder Schwangeren zum Cavasyndrom und zweitens, falls es so ist, wird Ihnen nach ganz kurzer Zeit so übel, dass Sie sich automatisch auf die Seite drehen. Das passiert übrigens auch nachts während Sie schlafen.

Keine Sorge! Der übliche Stress in der Arbeit schadet Ihrem Baby nicht. (Foto: Thinkstock)
Keine Sorge! Der übliche Stress in der Arbeit schadet Ihrem Baby nicht. (Foto: Thinkstock)

6. „Vermeiden Sie Stress in der Arbeit. Das schadet Ihrem Kind!"
Dr. Müller-Hartburg:
Selbstverständlich müssen und sollen Sie bis zum Mutterschutz arbeiten gehen und werden dort auch hin und wieder Stress haben. Ihre Kollegen können Sie nicht permanent schonen, „nur" weil Sie schwanger sind. Keine Angst, der übliche Arbeitsstress gefährdet Ihr Kind nicht!

Natürlich kann es sein, dass Sie ein Ziehen im Bauch spüren oder Ihr Kind sich auffällig stark bewegt, wenn Sie gerade Ärger haben oder besonders belastet sind. Sie dürfen mir aber glauben: Unter dieser momentanen Stimmung leiden Sie wesentlich mehr, als Ihr Baby. Und das, was Ihr Kind davon mitbekommt, kann es sehr gut aushalten!

7. „Vermeiden Sie Sex in der Schwangerschaft."
Dr. Müller-Hartburg:
Sex ist nicht verboten und zwar zu keiner Zeit in der Schwangerschaft! Gelegentlich kann es nach dem Geschlechtsverkehr zu harmlosen Blutungen kommen. In diesem Fall gehen Sie sicherheitshalber zu einer Kontrolle, damit Ihnen Ihr Arzt bestätigen kann, dass alles in Ordnung ist.

Viele Ärzte empfehlen leider oft „sicherheitshalber" auf Sex zu verzichten, z.B. wenn es in der Frühschwangerschaft zu Blutungen kam. Ich bin mir sicher, dass es hier in den meisten Fällen um die bloße Absicherung des Arztes geht. Ich jedenfalls finde, dass es für Ihre Beziehung wichtig ist, in der Schwangerschaft nicht auf alles zu verzichten, was Spaß macht.

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8. „Essen Sie jetzt für Zwei!"
Dr. Müller-Hartburg: Diesen Tipp aus Großmutters Zeiten können Sie getrost vergessen! Ihr Kind holt sich, was es braucht, egal wie viel Sie zunehmen. Wenn Sie sehr schlank sind, müssen Sie deshalb nicht besonders viel essen. Ihr Kind wird davon nicht größer. Sind Sie zu Beginn der Schwangerschaft eher zu dick, schadet es nicht, dass Sie möglichst lange versuchen, Ihr Ausgangsgewicht zu halten. Ob dünn oder dick: Das Wichtigste ist, dass Sie sich ausgewogen ernähren!

Ach - und geben Sie nichts auf die Kommentare über Ihren Bauch! Nach meiner Erfahrung gibt es für das Umfeld von Schwangeren offenbar nur „zu kleine" oder „zu große" Bäuche. Offensichtlich sind Familie und Freunde nur sehr selten mit der Bauchgröße einer Schwangeren zufrieden! Überhören Sie die Bemerkungen - jeder Bauch sieht einfach anders aus!

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9. „Nehmen Sie Vitamine!"
Dr. Müller-Hartburg:
Eisen, Magnesium, Vitamine, Folsäure - das sind die gängigen Tabletten, die Schwangere vom Beginn Ihrer Schwangerschaft an schlucken sollten. Das zumindest ist die gängige Meinung. Ich finde, zukünftigen Müttern werden viel zu viele Medikamente verschrieben! Die meisten sind nicht zwingend notwendig, sondern werden lediglich verordnet, weil alle anderen sie auch nehmen.

Es wäre wirklich sinnvoll abzuwägen, was Sie persönlich brauchen: Ob Sie ein Eisenpräparat benötigen, entscheidet Ihr Blutbild. Und Ihr Vitaminbedarf? Der ist mit ziemlicher Sicherheit mit Ihrer täglichen Nahrung gedeckt! Leider ist es für viele meiner Kollegen einfacher und zeitsparender, die üblichen Präparate zu verschreiben, als sich die Mühe zu machen, bei jeder Patientin individuell vorzugehen.

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10. „Erhole Sie sich nach der Geburt ein paar Tage im Krankenhaus!"
Dr. Müller-Hartburg:
Eine schöne Vorstellung, die leider nur in sehr wenigen Fällen eintritt! Sie dürfen nicht vergessen, Sie sind dem Klinikalltag unterworfen: Die Krankenschwestern rumpelt mit dem Essenswagen herein, wenn Sie gerade schlafen wollen, Ihr Kind soll zum Hörtest, obwohl Sie gerade stillen...

Außerdem liegt mit Ihnen mindestens eine Patientin im Zimmer und damit ist die Unruhe vorprogrammiert: Sie steht nachts auf, geht auf die Toilette, versorgt ihr Kind, ruft die Nachtschwester, hat vielleicht ein quengeliges Baby, bekommt tagsüber viel Besuch. Hinzu kommt, dass auch zu Ihnen jederzeit Besuch kommen kann, ob Sie sich gerade danach fühlen oder nicht!

Wenn Sie eine tolle Hebamme an Ihrer Seite haben, dann entbinden Sie doch ambulant! Das geht so: Sie entbinden z.B. gegen 22 Uhr in der Klinik und drei Stunden später - nach den üblichen Tests und Untersuchungen - fährt der frischgebackene Papa Sie und Ihr Baby nach Hause.

Sie kuscheln sich in Ihr eigenes Bett, schlafen - garantiert ungestört - ein paar Stunden und morgens um sieben kriecht Ihr Partner mit einer duftenden Tasse Kaffee zu Ihnen und Ihrem kleinen Liebling unter die Decke. Und Ihre Hebamme? Die kommt täglich vorbei und schaut nach Ihnen und Ihrem Kind.

Dr. Imma Müller-Hartburg ist Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe in Wien/ Österreich und hat ihre jahrelange Erfahrung in Ihrem Buch „1001 Verbote in der Schwangerschaft" (Goldegg Verlag) zusammen gefasst.