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Stressfreier Erziehen - Auf die Wortwahl kommt es an

Sobald Kinder sprachlich geschickter werden und ihren Willen deutlich äußern können, sind Konflikte in der Familie an der Tagesordnung: Die Eltern verbieten, schimpfen und ermahnen, die Kinder reagieren mit Geschrei, Trotz und Tränen. Familiäre Harmonie sieht anders aus!

Diplom-Psychologin Doris Heueck-Mauß hat sich ausgiebig mit dem Thema Kommunikation in der Familie beschäftigt und ein Buch dazu veröffentlicht („So rede ich richtig mit meinem Kind"; humboldt Verlag). Für Yahoo! Lifestyle verrät sie, wie Eltern mit ihren Kindern sprechen sollten, um Konflikte zu vermeiden. Außerdem gibt unsere Expertin praktische Tipps für den Erziehungsalltag.

Ein liebevolles Miteinander ist die Basis für mehr Harmonie in der Familie (Foto: Thinkstock)
Ein liebevolles Miteinander ist die Basis für mehr Harmonie in der Familie (Foto: Thinkstock)

Harmonisches Familienleben?
Mama, Papa, Bruder, Schwester - eigentlich wollen alle dasselbe: Einen respektvollen Umgang, die Wertschätzung der anderen und insgesamt ein harmonisches Miteinander. Trotzdem sieht die Realität in deutschen Familien meist anders aus. Kaum ein Tag vergeht ohne Vorwürfe, Streit und schlechte Stimmung. Was läuft schief?

„Immer machst Du…!"
„Die Eltern richten ihren Blick meist auf das unerwünschte Verhalten des Kindes", weiß Diplom-Psychologin Doris Heueck-Mauß. „Sätze wie `Du musst…´. `Du darfst nicht…´, `Wie kannst Du nur…´, `Immer machst Du…!´ sind aus der täglichen Kommunikation zwischen Eltern und Kindern nicht wegzudenken." Auf dieses Ermahnen und Tadeln der Eltern folgt immer eine Reaktion des Kindes.

„Kleine Kinder reagieren auf die Worte von Mama und Papa über ihr Verhalten und werden trotzig. Große Kinder reagieren verbal und gehen auf Konfrontation: `Ich muss gar nicht!´, `Von dir lass ich mir nichts sagen…!´", berichtet die  Münchner Expertin aus ihrer Erfahrung.

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Anklagende und abwertende Botschaften
Das Problem: Die „Du-Botschaften" der Eltern sind destruktiv. Sie sind anklagend und stellen nicht nur das Verhalten des Kindes, sondern seine ganze Person in Frage. „Es ist ein ganz natürlicher Vorgang, dass ein Kind auf derartig abwertende Vorwürfe emotional reagiert. Es wehrt sich und kontert erst recht mit unerwünschtem Verhalten", sagt die Psychologin und zweifache Mutter. „Versuchen Sie aus diesem Teufelskreis auszubrechen!"

Der Ton macht die Musik
Damit Kommunikation in der Familie besser gelingt, sollten Eltern sich erst einmal klar machen: Was will ich von meinem Kind? Verpacken Sie dieses Anliegen dann in eine konstruktive  „Ich-Botschaft".

Wenn Sie z.B. freundlich sagen: „Ich würde mich sehr freuen, wenn Du mir hilfst, den Tisch abzuräumen" gibt es keinen Grund für Ihr Kind, das nicht zu tun. Wenn Sie jedoch meckern: „Nie hilfst Du mir den Tisch abzuräumen!" setzt sich die wohlbekannte Spirale in Gang. Erst wird Ihr Kind diesen anklagenden und abwertenden Satz vielleicht ignorieren, wenn Sie aber in diesem Tonfall weiter auf Ihrem Wunsch beharren, wird Ihr Kind gewohnt trotzig reagieren. Schnell eskaliert die Situation.

Zuhören mit dem „Dritten Ohr"
Ebenso wichtig wie freundliche, positive, leicht verständliche Botschaften zu formulieren, ist das Zuhören mit dem „Dritten Ohr": „Versuchen Sie auch immer das zu verstehen, was Ihr Kind Ihnen durch seine Mimik und Gestik mitteilen will und überlegen Sie, welche Emotionen dahinter stecken", rät Doris Heueck-Mauß.

Wenn Ihr Kind in einer Situation beispielsweise für Sie völlig unerwartet überreagiert, sprechen Sie die Situation an ohne zu werten und verpacken Sie Ihren Satz dabei wieder in eine „Ich-Botschaft": „Ich sehe, dass du wütend bist. Möchtest du mir sagen, was dich geärgert hat?" Diese wertfreie, positive Zuwendung wird Ihr Kind sicher aus der Reserve locken und Ihr Schatz wird Ihnen anvertrauen, was ihn bedrückt.

Wenn Sie jedoch sagen: „Warum flippst du denn schon wieder aus?" fühlt sich Ihr Kind sicher nicht verstanden. Dadurch nehmen Sie sich die Chance auf ein echtes Gespräch.

Wie würden Sie reagieren?
Nehmen Sie Ihr Kind ernst und halten Sie sich grundsätzlich immer vor Augen, wie Sie mit ihm sprechen: Wie Sie in den Wald rufen so hallt es heraus! Als Eltern sind Sie für Ihr Kind auch ein Sprachmodell. Behandeln Sie Ihr Kind deshalb so, wie Sie selbst behandelt werden möchten: Liebevoll und mit Respekt! Überlegen Sie einmal, wie Sie reagieren würden, wenn Ihnen jemand Befehle erteilt? Sicher auch mit Trotz und schlechter Laune.

Auf Schimpfen und Verbieten reagieren Kinder mit Trotz und Gebrüll (Foto: Thinkstock)
Auf Schimpfen und Verbieten reagieren Kinder mit Trotz und Gebrüll (Foto: Thinkstock)

Situationen aus dem Erziehungsalltag und Antworten von Diplom-Psychologin Doris Heueck-Mauß:

1. Lilli will nicht nach Hause
Die 3jährige Lilli spielt gerade voller Hingabe im Sandkasten des öffentlichen Spielplatzes. Die Mutter kommt und sagt „Wir müssen jetzt nach Hause!". Lilli will aber nicht… Ein Konflikt bahnt sich an. Wie kann die Mutter diesen Konflikt vermeiden, aber trotzdem erreichen, dass Lilli mit nach Hause kommt?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: Die Mutter sollte Lilli nicht mit ihrem Wunsch überfallen. Sie sollte sich lieber einen Zeitpuffer einbauen. Bereits zehn Minuten bevor sie wirklich los möchte, sollte die Mutter zu ihrer Tochter gehen und erst einmal mit einer positiven „Ich-Botschaft" darauf eingehen, dass Lilli so schön spielt: „Ich sehe, Du möchtest noch gerne weiter spielen, aber wir müssen langsam los. Ich muss das Abendessen vorbereiten." Dann kann die Mutter das Spielen zum Ende bringen: „Wir backen jetzt noch gemeinsam einen letzten Sandkuchen." Gut ist auch, wenn die Mutter Lillis Aufmerksamkeit auf das lenkt, was als nächstes kommt. „Zuhause darfst Du mir dann beim Abendbrot machen helfen."

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2. Geschwisterstreit
Der 5jährige Tobi und seine 7jähriger Schwester streiten sich den ganzen Tag. Manchmal kommt es sogar zu körperlichen Auseinandersetzungen. Die Mutter ist total genervt, schimpft und meckert, die beiden sollen sich jetzt endlich einmal vertragen. Leider ohne Erfolg. Wie soll die Mutter mit ihren Kindern sprechen, damit sie ihr Ziel erreicht?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: Die Geschwister sind alt genug für ein „Familiengespräch". Die Mutter sollte sich mit ihren Kindern zusammensetzen und ohne Wertung und Anklage sagen, was sie beobachtet: „Ich sehe, wenn ihr zusammen seid gibt es zur Zeit viel Streit. Wie können wir das ändern?" Sicher haben die Kinder eigene Ideen, die man umsetzen kann. Wenn nicht, kann die Mutter anregen, dass die Kinder räumlich getrennt spielen. „Heute spielst du, Tobi, bei mir im Wohnzimmer und morgen deine Schwester."

Die Mutter sollte sich auch einmal selbst beobachten: Wahrscheinlich sieht sie es als selbstverständlich an, wenn die Kinder schön miteinander spielen und sagt nichts. Erst  wenn die Kinder streiten, schimpft sie.

Die Mutter sollte in Zukunft das positive Verhalten ihrer Kinder betonen und sie loben, wenn sie schön miteinander spielen. Außerdem sollte sie nicht zu sehr in die Geschwisterstreitigkeiten eingreifen. Sie sollte lediglich deeskalieren, wenn es zu hoch her geht: Dann sollte die Mutter den Streit unterbrechen, dabei aber nicht Partei für ein Kind ergreifen. Da das ältere Kind immer vernünftig sein muss, fühlt es sich sonst zurückgesetzt.

3. Abendlicher Kampf um das Zu-Bett-Gehen
Jeden Abend gibt es einen Kampf um das Zu-Bett-Gehen: Die Mutter will, dass der 9jährige Marvin um 20 Uhr im Bett ist, damit sie Zeit für sich hat. Doch trotz mehrmaliger Aufforderungen geht Marvin nicht in sein Zimmer. Die Mutter wird immer genervter, doch Marvin bewegt sich nicht vom Fleck. Wie hat die Mutter mehr Erfolg?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: Die Mutter darf sagen „Ab 20 Uhr möchte ich Zeit für mich haben." Sie sollte aber wissen, dass auch ein 9-Jähriger abends noch Zuwendung und ein Abendritual braucht. Die Mutter sollte mit Marvin den Abend besprechen: „Was können wir anders machen, damit wir abends nicht mehr streiten? Wie sollen wir die letzte gemeinsame halbe Stunde verbringen?" Marvin wird bestimmt selbst Vorschläge haben.

Wenn die Mutter ihm vorher regelmäßig die gewünschte Zuwendung gibt, wird er sicher akzeptieren, dass Mama ab 20 Uhr Zeit für sich möchte. Wenn er zu dem Zeitpunkt noch nicht müde ist, darf er in seinem Zimmer CD hören oder lesen, mit der Bedingung, dass er in seinem Zimmer bleibt.

Helfen Sie Ihrem Kind selbständig zu werden - auch bei den Hausaufgaben (Foto: Thinkstock)
Helfen Sie Ihrem Kind selbständig zu werden - auch bei den Hausaufgaben (Foto: Thinkstock)

4. Streit um die Hausaufgaben
Jeden Nachmittag dasselbe Theater: Die 10jährige Emily hat keine Lust die Hausaufgaben zu machen. Erst nachdem es den ganzen Nachmittag Zoff mit Mama gegeben hat, fängt sie am Abend halbherzig damit an. Die täglich wiederkehrende Situation ist für Mutter und Tochter alles andere als schön. Gibt es eine Lösung?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: Die Mutter macht viel zu viel Druck! Eine 10-Jährige muss lernen, Verantwortung - auch für ihre Hausaufgaben - zu übernehmen. Viele Eltern vergessen außerdem, dass Kinder unterschiedliche Lernrhythmen haben. Vielleicht klappt es besser, wenn Emily nach der Schule eine Pause macht und erst später mit den Hausaufgaben beginnt. Die Mutter sollte ihre große Tochter mit ins Boot holen und sie fragen: „Wie machen wir es? Was möchtest Du?" Zusätzlich ist es wichtig, Regeln aufzustellen:

1. Die Hausaufgaben müssen gemacht werden
2. Du machst sie allein und eigenverantwortlich
3. Wenn du Fragen hast, kannst du jederzeit zu mir kommen
4. Wenn du fertig bist, zeigst du mir, was du gemacht hast.

Wie und wann Emily ihre Hausaufgaben macht, muss sie selbst heraus finden. Das darf die Mutter ihr zutrauen. Denn: Je mehr sie sich einmischt, umso unselbständiger verhält sich Emily.

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5. Mama muss alles zehnmal sagen!
„Räum Dein Zimmer auf!", „Wasch Deine Hände!", „Komm zum Essen!" Mama muss dem 6jährigen Max alles zehnmal sagen. Meist reagiert er gar nicht. Erst wenn seine Mutter richtig laut schimpft, zeigt Max eine Reaktion: Manchmal macht er dann, was sie sagt, manchmal wird er ebenfalls wütend. Wie kann die Mutter die Situation verändern?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß:
Auch hier muss die Mutter den Druck heraus nehmen und Max erst einmal ganz klar die Regeln benennen: Z.B. „Vor dem Essen werden die Hände gewaschen." „Ich rufe Dich zwei Mal  zum Essen, wenn du dann noch nicht da bist, fangen wir ohne dich an."

Sie sollte außerdem wissen, dass Kinder ganz oft in ihr Spiel vertieft sind und gar nicht hören, was Eltern zu ihnen sagen. Es ist dann keine böse Absicht, wenn Max nicht reagiert. Es hilft, wenn die Mutter dann zu Max geht, sich auf seine Augenhöhe begibt und ihn am Arm berührt. Erst wenn Max seine Mutter ansieht, hört er auch, was sie von ihm möchte.

Auch bei anderen Dingen sollte die Mutter nicht gleich eine Böswilligkeit ihres Sohnes vermuten: Wenn Max nach mehrmaligem Auffordern sein Zimmer nicht aufräumt, so liegt das daran, dass ihn in seinem Alter das Chaos in seinem Zimmer schlichtweg überfordert. Die Mutter kann einen klaren Wunsch äußern: „Ich würde mich freuen, wenn Du schon einmal anfängst. Wirf die Legosteine in die grüne Kiste, ich komme gleich und helfe dir." Mit einer positiven Unterstützung („Ich weiß du kannst das!") erreicht sie sicherlich mehr als mit einem Befehlston („Räum endlich dein Zimmer auf!").

Diplom-Psychologin Doris Heueck-Mauß gibt abschließend zu bedenken: „Hinter allen Verhaltens- und Kommunikationskonflikten steckt das Grundbedürfnis eines jeden  Kindes: `Ich möchte Aufmerksamkeit, im Mittelpunkt stehen und geliebt werden.´"