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„Leute, die schlanke Menschen dissen, esse ich zum Frühstück“

Autorin wehrt sich gegen Diskriminierungen Dünner

Wir haben uns noch nicht kennengelernt, aber sollten wir uns eines Tages über den Weg laufen, werden Sie diese fünf Urteile über mich fällen, noch bevor wir uns die Hände geschüttelt haben.

Rechnet mit Nörglern ab: Melissa Milne (Bild: Yahoo.com)
Rechnet mit Nörglern ab: Melissa Milne (Bild: Yahoo.com)



Ich bin narzisstisch.
Ich bin ein Kontrollfreak.
Ich hasse mich selbst.
Ich bin nicht besonders klug.
Ich habe eine Essstörung.

Ach ja, und sachte mit dem Händedruck, sonst brechen Sie mir noch die Finger.
Zu einer oder mehrerer dieser Annahmen werden Sie mit Sicherheit kommen, denn noch bevor Sie meine grünen Augen, meinen südafrikanischen Akzent, mein Lächeln oder meine hoffentlich freundliche Begrüßung zur Kenntnis nehmen, bemerken Sie meine Figur.
Es ist nämlich so: Ich bin zu dünn – angeblich.

Bevor Sie nun mit den Augen rollen und mir sagen, was für ein Glückspilz ich sei dieses „Problem“ zu haben, hören Sie mir bitte erst einmal zu: Ich bin nur eine von vielen Frauen, die angeblich zu dünn sind. Von Taylor Swift über Kendall Jenner, Angelina Jolie, und Bethenny Frankel, die kürzlich damit Schlagzeilen machte, die Pyjamas ihrer vierjährigen Tochter zu tragen, wir alle haben mit Anorexie-Anschuldigungen zu kämpfen. Zu Beginn des Jahres wurde Giuliana Rancic im Internet angefeindet, weil sie angeblich eine Leihmutter engagierte, da sie nicht zunehmen wolle. Die Wahrheit war: Sie kämpfte mit Brustkrebs und musste Medikamente einnehmen, die eine Schwangerschaft unmöglich machten.

Frauen herabzusetzen, weil sie „zu dünn“ sind, ist mittlerweile die einzig „sichere“ Möglichkeit für chronische Nörgler, sich über andere auszulassen. Menschen mit Übergewicht kämpfen immer noch mit Vorurteilen. Aber es ist nicht mehr so gesellschaftlich akzeptabel, verurteilende Kommentare über das Gewicht anderer Menschen zu machen. Der Vorwurf, Übergewicht sei die alleinige Schuld einer Frau, ist lange verworfen und damit die Annahme, ein paar Pfunde mehr machten Menschen per se unattraktiver.

Auch Popstar Taylor Swift wurde schon oft ein Schlankheitswahn unterstellt. (Bild: Getty Images)
Auch Popstar Taylor Swift wurde schon oft ein Schlankheitswahn unterstellt. (Bild: Getty Images)


Aber zu dünn sein? Ja, das ist mit Sicherheit meine Schuld. Und was dieses Thema angeht, gibt es gesellschaftlich keine Unterstützung, weder direkt, noch hinter meinem Rücken. Es ist also nicht nur gesellschaftlich akzeptabel, beleidigende Dinge zu sagen, die meisten Leute bemerken noch nicht einmal, dass ihre Kommentare („Sie dich doch an! Du bist viel zu dünn!“) die eigene Selbstwahrnehmung negativ beeinflussen. Heather Quinlan C.S.W., Expertin für Selbstwahrnehmung, erklärt, dass „solche Leute sich wenig Gedanken über ihre verletzenden Kommentare machen – vielleicht, weil die Gesellschaft uns gelehrt hat, dass man niemals zu reich oder zu dünn sein kann.“ Viele scheinen zu denken: „Wie könnte sich jemand dabei schlecht fühlen, wenn ich ihn „zu dünn“ nenne?“ Trotzdem ist und bleibt es eine Verletzung, nur dass diese in ein Kompliment verpackt wurde. Quinlan nennt so etwas „eine unterschwellige Abneigung gegen Leute, die von Natur aus schlanker sind.“.

Negative Bemerkungen über eine Frau aufgrund ihres Gewichts zu machen, ist niemals gut. Ob übergewichtig oder dünn, die zerstörerische Nachricht bleibt dieselbe: Dein Körper ist nicht normal. Und das eigene Körperbild ist ein empfindliches Thema für jede Frau, die nackt nicht wie Adriana Lima aussieht. Laut der US-amerikanischen Webseite DoSomething.org sind 91 Prozent der Frauen unzufrieden mit ihrem Körper. Dünnsein gehört ebenso zu Ursachen der Unzufriedenheit, wie andere „Makel“.

Als ich aufwuchs und sogar während meiner späten Teenagerjahre machte ich mir nie Gedanken darüber, ob ich zu dünn sein könnte. Aber während meiner Zwanziger wurde ich mir meines Körpers immer stärker bewusst. Fakt ist, dass gesundes Zunehmen nicht so einfach ist. Genau wie meine Mutter, meine Schwester, meine Großmutter, meine Ur-Großmutter und meine Ur-Ur-Großmutter bin ich von Natur aus dünn. Genau wie grüne Augen und ein hoher Cholesterinspiegel liegt das Schlanksein in unserer Familie.
Und auch Frauen, die von Natur aus schlank sind, haben Tage, an denen sie sich hässlich fühlen oder ihre Waden hassen. Ich bin genauso unsicher wegen meiner spindeldürren Arme wie eine andere Frau wegen ihrer zu dicken Arme. Wenn wir eine Form des weiblichen Körpers beschämen, würdigen wir den weiblichen Körper an sich ab.

Ein positives Körperbild kann nur aufgebaut werden, wenn die ständige Kritik endlich aufhört – egal welcher Art. Einer kräftigeren Frau den Salat zu empfehlen tut weh, egal wie gut gemeint der Ratschlag vielleicht ist. Mich mit abfälligen Bemerkungen, zweideutigen Komplimenten, Besorgnis, Sarkasmus, schlechten Scherzen und unfairen Anschuldigungen zu bombardieren und zu versuchen, mich zum essen zu bewegen, hat auf mich genau denselben Effekt.

Neulich habe ich auf Facebook ein Bild gepostet; es zeigte einmal mehr, wie wenig Gedanken sich Menschen über die Gefühle anderer machen. Zuerst hinterließ ein Freund von mir einen Kommentar, von dem er wohl dachte, es sei ein Kompliment:

„Du hast ein bisschen zugenommen! Sieht gut aus!“ Aua!
Die Freundin eines Freundes schaltete sich auch schnell ein:
„Hey, der spinnt doch – du bist dünn wie ein Kleiderständer!“
Nochmal aua!

Beide Kommentare waren als Kompliment gemeint und doch zielten sie gleichermaßen auf die Unsicherheit über meine Selbstwahrnehmung ab. Wenn ich überempfindlich wirke, kommt das daher, dass ich es tatsächlich bin!

Es ist so: Ich mache mir persönlich nie Gedanken über meine Figur – bis es dann jemand anderes tut. In dem Moment fühle ich mich verpflichtet zu sagen, dass ich gerne esse, nicht im Fitnessstudio wohne und sehr gesund bin. Ich möchte sagen, dass ich kein Gesundheits-Freak bin und Essen liebe, keine Drogen nehme und dass ich aufgrund meiner Gene und meines Metabolismus einfach schmal bin. Nein, ich breche nicht, ja, ich habe gefrühstückt, nein, ich esse nicht nur Salat und ja, ich bin glücklich. Sehr glücklich sogar. Nein ich übertreibe es nicht, ja, ich bin schon immer so dünn gewesen. Nein, nein, nein. Ja, ja. ja.

Heute schäme ich mich vor allem dafür, dass ich mich schäme. Ich habe so viele Jahre damit verschwendet, mich für meinen dünnen Körper zu schämen, und meine Selbstwahrnehmung von der Negativität anderer Leute beeinflussen zu lassen. Ich habe Schulterpolster und waagerechte Streifen-Looks getragen. Ich habe das Laufen aufgegeben, Proteinshakes für mehr Muskelmasse heruntergewürgt und sogar mein Gewicht verleugnet. Mindestens fünf Kilo habe ich hinzugemogelt, wenn jemand unhöflich genug war, mich direkt danach zu fragen.

Woher kommt es, dass die Leute dünne Menschen dissen? Machen sie es aus Unwissenheit, Neid, Gedankenlosigkeit, Hinterhältigkeit, echter Besorgtheit, zur Aufforderung mich zu ändern oder aus tiefster Abneigung? Vielleicht wird diese Art von Körperbeschaffenheit überbewertet? Wer ist schon von Natur aus dünn? Egal welchen Gründen oder Einflüssen dieses Problem entspringt, ich weiß, dass dieser „zu dünne“ Körper ist, wer ich bin, egal, was andere darüber denken.
Ich habe nun mal von Natur aus keinen Hintern wie Nicki Minaj. Egal, was für einen Körper man hat, die wahre Akzeptanz deiner selbst erfordert echte Selbstliebe.