Micaela Schäfer: Die Enthüllungskünstlerin

Diesen Busen können viele nicht mehr sehen – und schauen doch bei jeder Gelegenheit hin, die uns die deutsche Trash-Königin so bietet.

Was für ein Problem hat diese Frau eigentlich? Und – ist ihr wohl noch zu helfen, irgendwie? In der Regel ist das die erste Reaktion, wenn man Menschen auf Micaela Schäfer anspricht: eine sonderbare, verkappte Form von Mitleid. Nicht mal wirkliche Ablehnung. Eher Empathie. Die tragische Sexbombe! Die Exhibitionistin, die von all den Trash-TV-Leuten auch noch ständig angefeuert wird. Obwohl die allein sie doch zur Vernunft bringen könnten.


Ja, so denken wir über Micaela Schäfer. Und wenn dann wieder frische Fotos von ihr kommen, neue Outfits (oder eben Nicht-Outfits), grenzwertige Inszenierungen, Bimmel-Bömmeleien aller Art – dann schauen wir trotzdem hin. Weil wir nicht anders können. So sehr wir uns auch bemühen.

Kürzlich, auf der Berliner Fashion-Week, marschierte Micaela bei einer U-Bahn-Modenschau durch den voll besetzten „Underground Catwalk“-Waggon: als eine Art Marilyn Monroe für Kleinverdiener, in einer Bikini-Kombination, die nicht aus Stoff, sondern echten blonden Haarsträhnen bestand. An ähnlicher Stelle, in einer fahrenden Berliner Straßenbahn, hatte sie kurz davor am hellichten Tag einen Ganzkörper-Striptease hingelegt – die Fotosession für ihren kommenden Hochglanz-Kalender.

Als das 28-jährige Trash-Starlet dann bei einem anderen Fashion-Empfang in einem Kostüm aus dicken Kordeln auflief, also relativ stark bekleidet, fragten sich viele schon, ob sie vielleicht krank sei. Echter Exhibitionismus – das Bedürfnis, sich vor fremden Leuten nackt zu zeigen – gilt in der Psychologie als Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung. Aber, und auch das muss man zugeben: Dazu wirken Micaela Schäfers Nackt-Inszenierungen einfach viel zu intelligent, gezielt und durchdacht.

Kate Upton: Die Extraportion Bikini-Göttin

„Ich finde solche Fotos nicht unbedingt toll – weil ich finde, dass du mehr Niveau hast“, hat Heidi Klum höchstpersönlich zu ihr gesagt, als 2006 einige Jugendsünden-Bilder von Micaela auftauchten – ausgerechnet während der ersten „Germany’s Next Topmodel“-Staffel, an der sie hoffnungsfroh teilnahm. Kurz darauf war sie auch schon draußen. Und Showmasterin Heidi blieb in der seltsamen Annahme, dass es zwischen ihrer Doku-Soap und der Erotikmesse Venus einen derart nennenswerten Niveau-Unterschied geben könnte.

Micaela Schäfer ist Arzttochter, kommt aus gutem Leipziger Hause, ging auf die Ballettschule, machte eine Ausbildung zur pharmazeutisch-kaufmännischen Angestellten. Woher der Sinneswandel kam, der die junge Frau so erstaunlich trittsicher auf die schiefe Bahn brachte, weiß keiner so genau. „Boxenluder um jeden Preis“ hieß zum Beispiel die kleine Reihe, mit der 2009 die „taff“-Kameras von Pro 7 ihre zweite Brustvergrößerung begleiteten – man könnte es als exemplarisches Motto für ihr Leben sehen. Der Preis wurde bezahlt, Boxenluder im engen Sinn wurde sie zwar nicht. Außer, mit „Box“ ist der typische deutsche Fernsehapparat gemeint.

Endgültig in den Kosmos der roten Teppiche, Erotik-Moderationen und Elektromarkt-Autogrammstunden wurde Micaela Schäfer durchs 2012er-„Dschungelcamp" katapultiert. Auch hier kam sie erstaunlich sympathisch und unschuldig rüber, obwohl sich die Augen der Zuschauer erst mal an ihre Brustwarzen und Pobacken gewöhnen mussten. Bis man sie irgendwann gar nicht mehr richtig wahrnahm. Micaela nackt? Ist mir gar nicht aufgefallen.

Ballkönigin: Micaela Schäfer nackt vor dem Brandenburger Tor

Was Daniela Katzenberger heute wohlweislich versteckt (wie lange wohl noch?), hat Micaela Schäfer so zu ihrem eindeutigen Markenzeichen gemacht. In allen denkbaren Variationen, die man zwar billig und platt, aber niemals langweilig finden kann. Zum Beispiel die per Bodypainting auf den Busen gemalten Fußbälle mit dem schwarz-rot-goldenen Schlüpferstreifen, die sie zur EM vor dem Brandenburger Tor präsentierte: natürlich maximal geschmacklos, aber auf eine Art und Weise markant, wie sie international – auch wenn der Vergleich jetzt gewagt klingt – nur Lady Gaga beherrscht.

Und dass die gezielte, bestens geplante und durchdachte öffentliche Enthüllung jeder Art im Jahr 2012 einen festen Platz im menschlichen Verhaltenskodex hat – das müssten doch alle wissen, die auf Facebook öfter mal ihr Profilbild auswechseln oder neue Partyfotos hochladen. Der Exhibitionismus der Micaela Schäfer: auch wenn es schwer zuzugeben ist, er steckt in uns allen.