Die zweifelhafte Show der kleinen Schönheitsköniginnen

Glitzerkleidchen, grelles Makeup, gekünsteltes Lächeln: TV-Schönheitswettbewerbe für Kinder sind in den USA ein Quotenhit: Eine Show zwischen netter Familienunterhaltung und Kinderpornografie.

Aktuell strahlt der amerikanische Fernsehsender TLC eine neue Staffel der erfolgreichen TV-Show „Toddlers & Tiaras“ („Kleinkinder & Diademe“) aus: Ehrgeizige Mütter schminken, stylen und trainieren ihre Kinder gnadenlos, um sie in Konkurrenz zu anderen Kindern auf den Laufsteg und vor die Jury zu schicken. Neben Beifall und Stolz der Eltern buhlen die kleinen Mädchen um den Titel der Schönheitskönigin, 1.000 Dollar Preisgeld und ein rosarotes Prinzessinnen-Himmelbett.

Eden Wood und Makenzie Myers - die Schönheitskonkurrentinnen (Bild: TLC)
Eden Wood und Makenzie Myers - die Schönheitskonkurrentinnen (Bild: TLC)




Knallhartes Geschäft

Die beiden Stars der Sendung sind die sechsjährige Eden Wood und Makenzie Myers, fünf Jahre alt. Die blonde Eden ist längst Profi im knallharten Geschäft. Seit sie 14 Monate alt ist, nimmt sie an Schönheitswettbewerben teil. Große Konkurrenz bekommt sie nun von Makenzie, die als kleine Diva gilt. Es wird ein spannender Wettkampf. Gegenüber "Daily Mail" äußerte sich Annette Hill, Verantwortliche der Show: „Es liegt in der Hand der Jury, für wen sie sich entscheiden wird. Makenzie hat mehr Persönlichkeit, Eden ist professioneller.“

Hinter den Kulissen geht es oft genug dramatisch zu: Wutanfälle, Neid, Missgunst. Makenzie brüllt, weil sie keine Ohrclips tragen will, Eden weint, weil das Haarspray in den Augen brennt. Auch das “Augenbrauen zupfen” gehört zu den qualvollen Vorbereitungen. Dazwischen immer wieder der Satz der Mütter „Wer schön sein will muss leiden!“ Überhaupt sind die Mütter der kleinen Schönheitsköniginnen ein ganz eigener Schlag: Sie geben tausende von Dollars aus, um mit ihren Töchtern zu verschiedenen Auftritten zu reisen und sie zu trainieren. Makenzies Mutter Juana unterstützt den Erfolg ihrer Tochter, in dem sie ihr Schauspielunterricht ermöglichte. Edens Mutter will noch mehr für ihr Kind: Mickie Wood kümmert sich um Platten- und Buchverträge und ist überzeugt: Ihre Tochter ist  “ein Superstar”.  Auch an Eden selbst geht der Rummel nicht spurlos vorbei: „Ich bin wirklich berühmt“, sagt das kleine Mädchen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Wer ist die Schönste im ganzen Land? (Bild: splash)
Wer ist die Schönste im ganzen Land? (Bild: splash)




„Das ist eine Art Kinderpornografie!“

Psychotherapeutin Prof. Dr. Anna Schoch sieht diese US-Shows sehr kritisch: „Die Kinder werden von ihren Müttern regelrecht missbraucht. Die Mädchen sollen etwas verkörpern, was die Mütter selbst gerne wären.“ Dr. Schoch geht sogar noch weiter. Sie bezeichnet diese Shows, in denen kleine Mädchen mit übermäßig viel Makeup und sexy Kleidern gezeigt werden, als eine Art Kinderpornografie, die Pädophile anlockt. „Diese Show ist alles andere als Kind gerecht!“

Dass es hinter der Showbühne Trotzanfälle gibt, ist deshalb nur verständlich. „Das Aufbäumen zeigt den Versuch der Mädchen, einen Rest der eigenen Identität zu bewahren“, erklärt die Münchner Psychotherapeutin. Werden diese Mädchen größer, haben sie oft Probleme. Dr. Schoch: „Die Mädchen reagieren, indem sie sich feindselig und konkurrierend gegenüber Gleichaltrigen verhalten. Außerdem können sie Störungen wie zum Beispiel Magersucht oder Bulimie entwickeln.“

Grundsätzlich mache es kleinen Mädchen natürlich Spaß, sich zu verkleiden und auch einmal den Lippenstift der Mama auszuprobieren. „Wichtig ist aber, dass das ganze spielerisch, ohne Druck und mit Phantasie geschieht“, erläutert Dr. Schoch.


Spaßfaktor steht an erster Stelle

In der Münchner Agentur für Kinder- und Jugenddarsteller, „AgenturKids“, ist von Druck nichts zu spüren. Obwohl hier bereits Einjährige vor der Kamera stehen, achtet Agenturchefin Nina Pappi mit viel Fingerspitzengefühl darauf, dass die Kinder Spaß daran haben. „Es gibt bereits unter Drei- und Vierjährigen schon richtige kleine 'Rampensäue', die aufblühen, wenn sie vor der Kamera stehen. Da gibt es für mich keinen Grund, das Talent nicht zu unterstützen.“ Wenn Nina Pappi jedoch bemerkt, dass die Eltern versuchen die Kinder zu puschen, ist sie auf der Hut. „Wenn ein Kind zu schüchtern ist, mit der Situation Probleme hat oder gar weint, breche ich sofort ab und sage der Mutter, dass sie es in einem Jahr noch einmal versuchen soll.“ Manchmal hilft es auch schon, eine übereifrige Mutter, die ständig versucht ihr Kind zu animieren, aus dem Raum zu verbannen. Häufig öffnen sich die Kinder dann viel schneller. Die Agenturchefin schlägt aus ihrer Kartei Kinder für Castings vor. Wer die Jobs in TV-Spots, Fernsehfilmen oder für Printwerbungen ergattern will, muss aber auch Druck aushalten können. „Bei diesen Castings muss alles sehr schnell gehen: Der Zeitplan ist straff, andere Kinder stehen schon in den Startlöchern. Da gibt es keine Gelegenheit zu warten, ob das Kind noch auftaut oder in einer halben Stunde besser drauf ist“, weiß Nina Pappi. „Die größten Erfolge erzielen die Kinder, die Spaß an den kleinen Jobs haben, eine Portion Selbstbewusstsein mitbringen und von ihren Eltern in gesundem Maße unterstützt werden.“