Buch-Tipp: „Chill mal, Frau Freitag"

Unter dem Namen „Frau Freitag“ schreibt eine Lehrerin einen Blog über den täglichen Wahnsinn in einer deutschen Großstadt-Gesamtschule. Ihre humorvollen Anekdoten handeln von hyperaktiven Siebtklässlern, frustrierten Lehrern, Integration, Kommunikation, geschwänzten Unterrichtsstunden und dem „schönsten Beruf der Welt“, wie sie selbst sagt. Aus dem Blog wurde ein Roman, der mittlerweile sogar an der Spitze der „Spiegel“-Beststellerliste gelandet ist.

„Na, wie war’s in der Schule?“ steht über „Frau Freitags“ Internet-Blog. Diese Frage beantwortet die 1968 geborene Gesamtschullehrerin nur zu gerne. Täglich und umwerfend lustig. Kein Wunder, dass diverse Verlage auf sie aufmerksam wurden und um eine Roman-Veröffentlichung baten. Die Folge: Im März erschien  im Ullstein-Verlag das Buch „Chill mal, Frau Freitag – Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin“.

Bild: Ullstein Verlag
Bild: Ullstein Verlag

Wer beim Lesen der Geschichten nicht lauthals loslachen muss, hat keinen Humor. Denn das, was die Kunst- und Englischlehrerin aus ihrem Schulalltag erzählt, klingt zum Teil herrlich absurd. Ein Beispiel: „An meiner Schule haben wir mit der Integration überhaupt kein Problem. Fröhlich integrieren wir seit Jahren und sind damit sehr erfolgreich“, schreibt „Frau Freitag“ in ironischem Ton. „Beim letzten Ramadan übergab sich Susi in der Mathestunde, weil ihr vom Fasten schlecht geworden war, und Rainer kam im März vor dem Unterricht mit den Worten auf mich zu: ‚Ich heiße ab jetzt Mohamed‘.“ Oder wie wäre es mit dieser Anekdote über den unreflektierten Gebrauch von Schimpfwörtern: „Eine der Lieblingsbeschimpfungen aller Schüler ist ja Spast. Jedes Mal, wenn ich das Wort höre, frage ich die Schüler: ‚Weißt du denn, was ein Spast ist?‘ Und ich bekomme immer die gleiche Antwort: ‚Ja, klar. Ein Spast ist ein kleiner Vogel‘. Da steht also ein riesiger Schüler vor mir, wahrscheinlich mit Totschläger und Messer in der Tasche und einer kiloschweren Schüler- und Polizeiakte, und denkt, ein Spast sei ein kleiner Vogel.“

Doch Frau Freitag wundert sich eigentlich sowieso über gar nichts mehr: „In der zweiten großen Pause bin ich endgültig verwirrt. Können sich so viele Schüler irren? Habe ich irgendwas falsch verstanden? Hat Hitler die Mauer gebaut? Ist Luxemburg ein Bundesland? Sind München und Stuttgart Bundesländer?“, fragt sie sich. „Machen wir Lehrer uns nicht strafbar, wenn wir sie so unwissend entlassen und ihnen auch noch bescheinigen, dass sie zehn Jahre unsere Schule besucht haben?“

Man sieht: Blog und Buch dieser Lehrerin aus Leidenschaft machen nicht nur Spaß, sondern stimmen auch nachdenklich. Das deutsche Bildungssystem wird durchaus kritisch hinterfragt. „Es gibt zu wenige Schüler, die an Leistungen, an einem guten Schulabschluss interessiert sind“, erklärte die Autorin in einem ihrer höchst raren Interviews, nachzulesen auf der Seite „ronnieblog.com“. „Wenn es in den Klassen cool ist, nicht zu lernen, dann ist es schwierig, die Schüler zum Arbeiten zu bewegen.“

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Aufgegeben hat „Frau Freitag“ ihren Bildungsauftrag jedoch noch lange nicht. Dabei hilft ihr vor allem das tägliche Schreiben. „Viele Beiträge sind direkt nach der Schule entstanden, zuhause am Schreibtisch. Dieses spontane Bloggen von frischen Erlebnissen wirkte auf mich oft reinigend“, zitiert „ronnieblog.com“ die Lehrerin. Die Belohnung ihres Durchhaltevermögens: Die romangewordenen Blog-Einträge der Seite „fraufreitag.wordpress.com“ landeten direkt in den Herzen unzähliger Leser, was dazu führte, dass „Chill mal, Frau Freitag“ seit 16 Wochen Dauergast in der „Spiegel“-Beststellerliste ist und derzeit Platz zwei belegt. Es ist wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Anekdoten der unerschrockenen Lehrerin die Spitze erreicht haben.

Chill mal, Frau Freitag: Aus dem Alltag einer unerschrockenen Lehrerin"; 336 Seiten; Ullstein Taschenbuch; ISBN-Nr. 9783548373997