Vegetarier-Mythen: Schluss mit Vorurteilen

In Deutschland gibt es etwa 5,5 Millionen Vegetarier. Einige davon leben sogar vegan und verzichten komplett auf tierische Produkte. Das bedeutet: Kein Käse, keine Eier, keine Milch, kein Joghurt, kein Honig! Doch wie gesund ist diese Ernährungsweise? Leiden Vegetarier und Veganer an Mangelerscheinungen? Was ist dran an den Vorurteilen, dass Vegetarier über die Nahrung zu wenig Eiweiß, Eisen, Calcium oder Vitamin-B12 aufnehmen? Ökotrophologin Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung klärt auf.

Was ist dran an den Vegetarier-Mythen? (Foto: Thinkstock)
Was ist dran an den Vegetarier-Mythen? (Foto: Thinkstock)

Mythos 1: Vegetarier nehmen zu wenig Eisen auf
Nein, das muss nicht sein! Richtig ist, dass in Fleisch und Fleischprodukten jede Menge Eisen steckt und dass Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln schlechter verfügbar ist. Deshalb liegt die Vermutung nahe, dass es bei einem Verzicht auf Fleisch zu Eisenmangel und den typischen Symptomen wie Müdigkeit, Appetitlosigkeit oder Konzentrationsproblemen kommen kann. Ernährungswissenschaftlerin Isabelle Keller relativiert aber: „Der Eisenmangel unter Vegetariern westlicher Industrienationen ist nicht häufiger als bei Menschen, die Fleisch essen, denn es gibt viele pflanzliche Lebensmittel, die reich an Eisen sind.“ Dazu gehören Vollkornbrot aus Roggen oder Weizen, Haferflocken, Hülsenfrüchte wie Linsen und weiße Bohnen, Blattgemüse (z.B. Spinat), Nüsse, Samen, Hirse, Pfifferlinge, Amarant oder Quinoa. Kombiniert mit Vitamin C, also z.B. mit einem Glas Orangensaft, mit Paprika, Rosenkohl oder Sauerkraut, kann das pflanzliche Eisen gut vom Körper aufgenommen werden.

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Mythos 2: Vegetarier leiden an Eiweißmangel
Das ist Quatsch! Auch wenn in Fleisch und Fleischprodukten reichlich Eiweiß enthalten ist, kann der Eiweißbedarf des Menschen auch mit einer (ovo)-lakto-vegetarischen Ernährung problemlos gedeckt werden. Denn: Ovo-lakto-Vegetarier verzehren neben pflanzlichen Lebensmitteln auch Eier (ovo) und Mich bzw. Michprodukte (lakto). Auch Getreide und Hülsenfrüchte liefern Eiweiß. Die Ökotrophologin weiß: „Eine Unterversorgung mit Eiweiß kommt in den Industrienationen auch bei Vegetariern praktisch nicht vor.“ Anders kann es bei den sehr viel strenger lebenden Veganern aussehen. Wer auch auf Milchprodukte und Eier verzichtet, muss sich mit Ernährung gut auskennen und die pflanzlichen Proteinquellen sehr geschickt miteinander kombinieren, damit dem Körper genügend Eiweiß für Zellen, Muskeln, Organe und Knochen zur Verfügung steht. Eine gute Kombination für Veganer sind Getreide mit Hülsenfrüchten, wie z.B. Linsen mit Reis oder Erbsen mit Brot.

Mythos 3: Vegetarier mangelt es an Calcium
Nein, Vegetarier, die sich ausgewogen ernähren, nehmen mit der Nahrung genügend Calcium auf. Gerade Milchprodukte wie Käse, Joghurt und Buttermilch sind reich an Calcium. Auch rein pflanzliche Lebensmittel, wie z.B. Broccoli, Fenchel, Kohl, weiße Bohnen, Samen, Lauch oder calciumreiches Mineralwasser enthalten Calcium - wenn auch in deutlich geringerer Menge als Milchprodukte. Für einen erwachsenen Vegetarier ist es meist kein Problem, den Tagesbedarf zu decken. Anders sieht es dagegen wieder bei Veganern aus. „Bei einer sehr einseitigen Ernährung kann sich Calciummangel schnell ungünstig auf den Körper auswirken“, sagt Isabelle Keller von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Und das macht sich unter Umständen bei Knochen und Zähnen, bei der Muskel- und Nerventätigkeit und der Blutgerinnung bemerkbar. Gerade Kinder und Jugendliche benötigen während des Wachstums viel Calcium! „Veganer müssen sich sehr gut mit Ernährung auskennen, um sicherzustellen, dass sie ihren Tagesbedarf an Calcium decken." Kritisch sieht die Ernährungswissenschaftlerin die Calciumversorgung vegan ernährter Kleinkinder.

Mythos 4: Vegetarier leiden an Vitamin-B12-Mangel

Auch hier gilt: Vegetarier, die sich abwechslungsreich ernähren, müssen sich keine Sorgen machen. Bei Veganern sieht es dagegen wieder anders aus, denn: Vitamin-B12 kann nicht von Pflanzen gebildet werden. In einer größeren Menge ist Vitamin-B12 fast ausschließlich nur in tierischen Lebensmitteln wie z.B. Fleisch und Milch oder Eiern enthalten. Geringe Mengen B12 finden sich in milchsauer vergorenem Gemüse (z.B. Sauerkraut) und teilweise in Algen. „Bei Veganern kann es deshalb zu einem Vitamin-B12-Mangel kommen“, warnt die Expertin und das hat Folgen. Vitamin-B12 übernimmt im Körper wichtige Funktionen beim Fettstoffwechsel und ist unentbehrlich für den Aufbau der roten Blutkörperchen. Möglicherweise benötigen Veganer Vitamin B12 als Nahrungsergänzungsmittel.

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Vegetarier leben länger und gesünder

Als Vegetarier zu leben ist sehr gesund! Die Lebenserwartung ist in der Regel höher, als die der Durchschnittsesser. Das liegt aber nicht nur an der vegetarischen Ernährung, sondern vor allem auch am grundsätzlichen gesundheitsbewussten Verhalten in anderen Lebensbereichen: Vegetarier bevorzugen Vollkornprodukte, frisches Obst und Gemüse, verzichten meist auf Alkohol und Zigaretten und bewegen sich mehr. Und das macht sich positiv bemerkbar. Vegetarier leiden seltener an Übergewicht oder hohem Blutdruck. Auch ihre Cholesterinwerte sind häufig besser als die der Allesesser. Als Folge ihrer gesunden Lebensweise erkranken Vegetarier deutlich seltener an Diabetes mellitus, Gicht, Krebs und Herz-Kreislauf-Krankheiten. Ökotrophologin Isabelle Keller: „Gegen eine ausgewogene und abwechslungsreiche (ovo)-lakto-vegetarische Ernährung ist deshalb nichts einzuwenden." Aber Achtung: Schwangere, Stillende, Kleinkinder und ältere Menschen sollten sich nicht rein vegan ernähren. "Der spezielle Nährstoffbedarf dieser Gruppen kann so nicht gedeckt werden“, warnt die Ernährungsexpertin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung.