Wenn Kinder Kinder kriegen

Mutter mit zwölf Jahren: Dieser Weg wird kein leichter sein. Trotzdem wählen viele Kinder Schwangerschaft bewusst als Lebensmodell.

Schwanger mit 14 - aus Unwissenheit oder mit Absicht? (Foto: thinkstock)
Schwanger mit 14 - aus Unwissenheit oder mit Absicht? (Foto: thinkstock)

Man kann es kaum glauben: Anfang des Jahres brachte ein zwölfjähriges Mädchen aus den Niederlanden bei einer Klassenfahrt ein Baby zur Welt. Überraschter als Mitschüler und Lehrer war das Mädchen selbst — sie wusste nichts von ihrer Schwangerschaft, ebenso wenig wie die Eltern. Das Mädchen klagte plötzlich über heftige Bauchkrämpfe. Die Besatzung eines Rettungswagens erkannte die Ursache schnell und half der Jugendlichen, ein gesundes Mädchen zur Welt zu bringen.

Geschichten wie diese schockieren regelmäßig vor allem die Eltern Jugendlicher, die offenbar keinen Schimmer vom Leben ihrer Kinder außerhalb der heimischen vier Wände haben. Zwar hat eine neuere Studie der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung ergeben, "dass deutsche Mädchen und Jungen verglichen mit der letzten Repräsentativerhebung aus dem Jahr 2005 seltener früh sexuell aktiv sind und sie heute bereits beim ersten Mal besser als je zuvor verhüten". Dennoch werden 16 von 1.000 Teenagern zwischen 15 und 19 Jahren schwanger. Und einige sind noch jünger: 2009 brachten 4.837 Minderjährige ein Baby zur Welt, fast 600 Mädchen waren zum Zeitpunkt der Geburt 15 Jahre oder noch jünger. Viele von ihnen wurden schwanger, weil sie nicht richtig über Verhütungsmethoden Bescheid wussten.

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Schwanger werden als Lebensmodell

Immer mehr Mädchen jedoch wählen eine Schwangerschaft bewusst als Lebensmodell: als Alternative zur erfolglosen Lehrstellensuche und Hartz IV. Mutter zu sein gibt ihnen einen Platz in einer Gesellschaft, in der sie sich sonst wertlos und überflüssig fühlen. Aber wer selbst Mutter ist, weiß um die gravierende Lebensveränderung, die ein Kind mit sich bringt — auch wenn man altersmäßig die Jugendzeit schon lange hinter sich gelassen hat. Die Journalistin Antje Diller-Wolff hat Teenagermütter während ihrer Schwangerschaft und danach begleitet und dabei beobachtet, wie viel schwerer das Kinderkriegen für junge Mädchen ist, die zwischen Windelnwechseln und Schulabschluss ihren Weg finden müssen. Einige schaffen das ganz gut, aber ohne Unterstützung wird es sehr, sehr schwer. Dabei fehlt es oft an elementaren Dingen, wie einen geregelten Tagesablauf auf die Reihe zu kriegen. So wie bei Chantalle, die hofft, mit ihrem kleinen Sohn zusammen bleiben zu dürfen — obwohl nicht alles dafür spricht, dass ihr Wunsch in Erfüllung geht ...

Chantalle, 19, das gelebte Chaos

Chantalle sagt von sich selbst, sie sei das "gelebte Chaos". Ihr Sohn Jason kam zur Welt als sie 15 war, er lebt jetzt in einer Pflegefamilie. Dustin, 9 Monate, lebt bei seiner Mutter. Chantalle war als Kind und Jugendliche viel allein, der Vater Alkoholiker, die Mutter oft weg. "Warum meine Mutter so selten zu Hause war, hab ich nie verstanden." Wenn sie und ihre Brüder etwas "falsch" machten, gab es Schläge. Mit zwölf kam Chantalle in eine Pflegefamilie. Sie baute viel Mist, obwohl die Pflegeeltern nett waren. Mit 14 musste sie in ein Heim.

"Mein erstes Mal war mit 13, da nahm ich schon eine ganze Weile die Pille. Ich wollte dann aber schwanger werden, weg aus der Einrichtung. Ich hab meine Eltern vermisst." Als ihr Sohn zur Welt kam, war sie ganze fünf Tage mit ihm zusammen. Dann entschied das Jugendamt, dass Chantalle ihr Baby nicht behalten durfte. Chantalle heulte Rotz und Wasser, war dann aber auch froh, dass ihr Kind gut untergebracht war und sie Zeit für sich und ihre Freunde hatte. Besucht hat sie den Kleinen nicht oft: "Es war mir zu umständlich, mit Bus und Bahn wären es fast zwei Stunden Fahrt gewesen für gerade mal eine Viertelstunde Kontakt, das hätte sich für mich nicht gelohnt."

Mit 17 hatte sie einen neuen Partner, und dann, eines Tages, passierte es wieder. "Man trinkt und spuckt. Da hilft die Pille nicht", erklärt Chantalle ihre zweite Schwangerschaft. Unter der Voraussetzung, in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu gehen, durfte sie Dustin behalten. Anstrengend für das Mädchen, das mit einem geregelten Alltag nicht gut klarkommt. Aber sie hat schon viel gelernt: „Mein größtes Manko rein praktischer Art sind Sauberkeit und Hygiene bei mir im Zimmer. Die Betreuerinnen gucken schon sehr genau hin." Das nervt manchmal, aber Chantalle weiß, dass das ihre einzige Chance ist. Sie will ihren Hauptschulabschluss nachmachen und dann eine Ausbildung zur Fachkraft im Gastgewerbe. Und sie will Dustin nicht verlieren.

Teenager-Mütter, erschienen bei Schwarzkopf & Schwarzkopf
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