Trotz lass nach

„Nicht Bett gehen!", „ich mit!!", „ich selber machen!!!": Wenn aus Ihrem kleinen Sonnenschein plötzlich ein willensstarker Zweijähriger geworden ist, der sofort brüllt, wenn Mama ihn an der Umsetzung seines Vorhabens hindert, dann hat für ihn die Trotzphase begonnen. Wir sagen Ihnen, was in dieser wichtigen Entwicklungsstufe passiert und wie Sie richtig darauf reagieren.

Der Trotzanfall kommt oft unerwartet (Foto: thinkstock)
Der Trotzanfall kommt oft unerwartet (Foto: thinkstock)

Was tut sich in der Entwicklung des Kindes
Die Trotzphase findet in der Regel zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr statt. Bei manchen Kindern beginnt die Willensentwicklung bereits mit eineinhalb Jahren. Die Kinder erleben in dieser Zeit, dass sie mehr können und nicht bei allem auf Mama oder Papa angewiesen sind. Ganz wichtig ist auch, dass sie auf einmal eine Vorstellung von sich selbst bekommen und von sich in der "Ich-Form" sprechen.

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Zweijährige verstehen die Welt nicht mehr
Wenn dann statt der gewohnten Harmonie mit Mama plötzlich Konflikte entstehen, ist der Zweijährige selbst total unglücklich. Das Kind versteht nicht, warum es etwas nicht machen darf. Das „nein" der Mutter frustriert Zwei- und Dreijährige. Sie werden von ihren Emotionen regelrecht überfallen und können diese enormen Gefühle selbst nicht regulieren. Doris Heueck-Mauß, Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Mutter zweier erwachsener Kinder, hat sich eingehend mit dem Trotzalter beschäftigt und über das Thema ein Buch geschrieben. Eindringlich warnt sie deshalb: „Bitte nehmen Sie den Trotzanfall Ihres Kindes nicht persönlich! Hinter solch einem Anfall steckt weder eine Aggression, noch will ihr Kind Sie bewusst provozieren." Während eines Trotzanfalls könne man das Kind nicht beruhigen, so die Münchner Psychologin. Der Rappel müsse ablaufen. Ganz wichtig sei es aber, dass Mutter oder Vater ihr Kind mit seinen überschäumenden Gefühlen niemals alleine lassen, weil es sonst Angst bekäme, weiß Doris Heueck-Mauß. Wenn das Kind wieder zugänglich wird, sollte man es liebevoll und mit viel Verständnis in den Arm nehmen und auf keinen Fall schimpfen.

Vierjährige wollen Grenzen testen
Wird das Kind älter, versteht es immer mehr Zusammenhänge und logische Folgen seines Tuns. Es kann — im Gegensatz zu Zweijährigen — begreifen, warum Mama oder Papa „nein" sagen. In diesem Alter ist es typisch, dass Kinder ihre Grenzen testen und die Eltern bewusst provozieren. Wenn ein Kind beispielsweise bereits von der Mutter mehrmals ermahnt wurde, seine Tasse auf dem Tisch stehen zu lassen und das Kind sie dann auf den Boden wirft, geschieht das mit voller Absicht. Jetzt ist es wichtig, dass die Mutter authentisch bleibt. „Die Mutter darf sagen, dass sie wütend darüber ist, was das Kind gemacht hat und verlangen, dass das Kind beim Saubermachen hilft, niemals darf sie aber die Liebe zum Kind selbst in Frage stellen", warnt die Diplom-Psychologin. Auch lautes Schimpfen und Schreien ist nicht angebracht.

Typische Trotzreaktionen und Antworten von Dipl.-Psych. Doris Heueck-Mauß:

1. Gebrüll an der Supermarktkasse
Der zweieinhalbjährige Leon nimmt sich an der Supermarktkasse einen Schokoriegel. Die Mama sagt „nein" und legt ihn zurück. Leon wirft sich brüllend auf den Boden.

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: „Entscheidet sich die Mutter dafür, den Riegel wegzulegen, muss sie mit der heftigen Reaktion von Leon rechnen. Sie darf ihn jetzt nicht alleine lassen und muss ihn tröstend in den Arm nehmen, wenn er sich beruhigt hat. Ist der Mutter die Gegenwart der umstehenden Menschen unangenehm, sollte sie in die Offensive gehen und das Verhalten ihres Sohnes locker ansprechen. Mütter dürfen sich aber auch davon frei machen, immer konsequent sein zu müssen. Leon handelt in diesem Alter noch nicht berechnend. Wenn die Mutter einmal nachgibt, hat das nicht gleich weitreichende Folgen auf sein zukünftiges Verhalten. Am besten man handelt vorausschauend und bezieht das Kind von vornherein beim Einkauf mit ein. An der Kasse kann man das Kind dann von süßen Versuchungen ablenken, in dem man es die Ware auf das Band legen lässt."

2. Drama beim Anziehen
Es regnet in Strömen. Mama möchte der dreijährigen Paula Jeans und Langarmshirt anziehen. Paula besteht auf ein Sommerkleid. Sie brüllt und wehrt sich bei allen Versuchen der Mutter, sie anzuziehen.

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: „Die Mutter darf sich auf gar keinen Fall auf einen Machtkampf einlassen. Am besten sie geht noch einmal aus dem Zimmer und probiert es nach einer Weile noch einmal. Druck erzeugt immer Gegendruck und Kinder wollen oft einfach nur das Gegenteil von dem, was Mama gerade will. Wenn Paula trotzdem noch auf ihr Sommerkleid besteht, kann man sie z.B. mal auf den Balkon führen und versuchen ihr bewusst zu machen, wie kalt es ist. Klappt auch das nicht, darf Paula ihr Sommerkleid anziehen und die Mutter nimmt Leggins und Jacke mit, weil Paula bald selbst merken wird, dass sie zu sommerlich gekleidet ist."

Liebe und Verständnis sind in dieser Zeit wichtig (Bild: Thinkstock)
Liebe und Verständnis sind in dieser Zeit wichtig (Bild: Thinkstock)

3. Morgendliche Hektik
Mama und Papa müssen los und vorher den drei einhalbjährigen Simon noch in den Kindergarten bringen. Der ist aber gerade dabei, sich die Schuhe selber anzuziehen — es klappt bloß nicht. Mama will jetzt dringend helfen! Das Geschrei ist groß.

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: „Mit unserem Zeitdruck können Kinder nichts anfangen. Wenn Simon das Angebot seiner Mutter zu helfen nicht annehmen möchte, muss sie in selber machen lassen. Auch wenn Simon die Schuhe verkehrt herum anzieht oder die Schnürsenkel nicht richtig binden kann. Die Eltern dürfen mit ihm so aus der Wohnung gehen. Im Treppenhaus wird Simon ziemlich sicher selbst merken, dass da was nicht stimmt. Jetzt kann die Mutter ihr Angebot zu helfen, noch einmal wiederholen."

4. Tränen beim Abendessen
Mama hat das Brot versehentlich geviertelt statt es - wie sonst - in zwei Hälften zu schneiden. Die dreijährige Leoni brüllt und will ihr Brot nicht essen! Was jetzt?

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: „Kinder zwischen zwei und vier Jahren haben ganz zwanghafte Vorstellungen, wie Dinge sein sollen. Das sollte man akzeptieren. In diesem Fall darf die Mutter zu Leoni sagen `Oh, entschuldige! Das habe ich jetzt vergessen, dass du das Brot halbiert haben wolltest" - und ihr ein neues Brot machen.

5. Abendliches Zubettgehen
Mama will den dreijährigen Tobi ins Bett bringen, aber der besteht auf Papa. Zurzeit muss alles Papa machen, sonst gibt es Gebrüll. Mama ist gekränkt.

Dipl.-Psych. Heueck-Mauß: „Essen und Zubettgehen sollten grundsätzlich immer positiv belegt sein. Die Mutter sollte Tobis Verhalten nicht persönlich nehmen und wissen, dass das nur eine Phase ist. Die Eltern können es einfach dabei belassen, bis Tobi von sich aus wieder mehr die Mutter verlangt. Wenn die Eltern aber merken, dass das für Tobi nur ein Spiel ist, sollten sie sich durchsetzen und schon beim Abendessen festlegen, dass heute Mama dran ist."

(Mehr zum Thema: Doris Heueck-Mauß: „Das Trotzkopfalter", Humboldt Verlag, 9,95 Euro)