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Kinder und TV-Konsum: Das sollten Eltern wissen

Fernsehen ist die liebste Freizeitbeschäftigung von Kindern und Jugendlichen und das, obwohl andere Medien wie Handy, Computer oder Spielekonsolen inzwischen immer weiter verbreitet sind. 76 Prozent der Sechs- bis 13-Jährigen sehen fast täglich fern.

Die durchschnittliche Fernsehdauer pro Tag hat sich über die Jahre auf mittlerweile 98 Minuten erhöht. Das sind die Ergebnisse der aktuellen KIM-Studie, der Basisuntersuchung zum Medienumgang von Kindern.

Bis zu 98 Minuten sehen Kinder und Jugendliche täglich fern. (Foto: Thinkstock)
Bis zu 98 Minuten sehen Kinder und Jugendliche täglich fern. (Foto: Thinkstock)

Verena Weigand ist Vorsitzende des Vereins Programmberatung für Eltern, Stabsstellenleiterin der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) und Jugendschutzreferentin der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM). Als Expertin auf diesem Gebiet beantwortet sie die wichtigsten Elternfragen:

1. Frau Weigand, wie lange sollten Kinder in welchem Alter höchstens fernsehen?

Verena Weigand: Das lässt sich nicht unbedingt in Stunden und Minuten ausdrücken. Wichtiger ist, dass die Kinder von Anfang an lernen, richtig mit dem Fernseher umzugehen. Dazu gehört zum Beispiel, gemeinsam mit den Eltern eine Sendung auszuwählen und nach der vereinbarten Fernsehzeit auch wieder auszuschalten.

Viele Kindergartenkinder haben bereits eine Lieblingssendung, die sie regelmäßig verfolgen. Dagegen ist auch prinzipiell nichts einzuwenden. Wer allerdings jede freie Minute vor dem Fernseher verbringt und keine anderen Interessen mehr hat, sieht definitiv zu viel.

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2. Nach welchen Kriterien sollten Eltern die Sendungen auswählen?

Verena Weigand: Die Eltern kennen ihr Kind am besten und wissen, was ihm besonders gut gefällt und was es überfordern könnte. Das ist ein wichtiger Anhaltspunkt. Schwieriger ist es zu beurteilen, was Kinder in welchem Alter schon verstehen können und wie sie das Geschehen auf dem Bildschirm verarbeiten.

Um Eltern bei der Auswahl geeigneter Sendungen zu unterstützen, haben wir den Fernsehratgeber FLIMMO (www.flimmo.tv) ins Leben gerufen. Dort erfahren Eltern worum es in den einzelnen Sendungen geht und bei welcher Altersgruppe sie besonders gut ankommen.

Es wird aber auch darauf hingewiesen, welche Inhalte für Kinder möglicherweise problematisch sind. So fällt die Auswahl schon viel leichter. Optimal ist es, wenn Eltern ihre Kinder beim Fernsehschauen im Blick behalten, auf die Reaktionen achten und zur Stelle sind, falls es doch einmal zu aufregend wird.

3. Darf man größere Kinder selbst entscheiden lassen was sie schauen?

Verena Weigand: Das kommt natürlich auf das Alter der Kinder und auf die Sendung selbst an. Spannende, blutige und actionreiche Krimis oder Filme aus dem Erwachsenenprogramm sind nichts für Kinder — da hilft auch kein Quengeln. Und auch, wenn viel Gewalt im Spiel ist oder fragwürdige Werte und Ansichten vermittelt werden, ist ein kritischer Blick der Eltern gefragt.

Am besten wäre es natürlich, wenn sich die Eltern in unsicheren Fällen die Sendung vorab alleine ansehen, um sich ein Bild zu machen. Ansonsten gilt auf jeden Fall für das erste Mal: Die Kinder nicht alleine lassen und mit schauen. So können Verständnisprobleme gleich beseitigt werden und wenn es zu spannend wird, hilft nur noch eins: Ausschalten!

4. Wann sollten Eltern eingreifen?

Verena Weigand: Eltern sind beim Thema Fernsehen immer gefragt. Sie sollten wissen, welche Sendungen sich ihre Kinder ansehen und welche Fernsehhelden sie zum Vorbild nehmen. Nur so ist es möglich, gegenzusteuern, wenn die Faszination des Fernsehers zu groß wird oder sich alles ausschließlich um die Lieblingsfiguren dreht.

Fernsehen sollte nicht zur alleinigen Freizeitbeschäftigung der Kinder werden. Eltern sollten immer auch Alternativen anbieten und Anreize schaffen. Auch in der echten Welt gibt es schließlich eine ganze Menge zu entdecken.

Eltern sollten wissen, welche Sendungen ihre Kinder sehen. (Foto: Thinkstock)
Eltern sollten wissen, welche Sendungen ihre Kinder sehen. (Foto: Thinkstock)

5. Wie kann sich das Fernsehen auf Kinder auswirken?

Verena Weigand: Fest steht, dass Fernseherlebnisse Kinder beeinflussen. Sei es, dass sie das Gesehene nachspielen, sich mit ihren Freunden über ihre Helden austauschen oder vielleicht auch einmal in der Nacht schweißgebadet aufwachen, weil ihnen eine spannende Szene doch etwas mehr zugesetzt hat. Die Krux ist, dass niemand vorher weiß, welche Eindrücke länger haften bleiben oder schwer zu verarbeiten sind und warum.

Immer, wenn Themen angesprochen werden, die das Kind selbst gerade auch im wahren Leben beschäftigt, gehen die Fernsehbilder besonders tief. Kinder müssen erst lernen, sich vom Geschehen auf dem Bildschirm zu distanzieren — und das fällt selbst den Erwachsenen manchmal noch schwer.

6. Wie erklärt man grausame Nachrichtenbilder von realen Katastrophen, die Kinder zufällig sehen?

Verena Weigand: Eigentlich sollten Kinder noch keine Nachrichten für Erwachsene sehen. Geschieht jedoch eine Katastrophe, wie beispielsweise im vergangenen Jahr in Japan, sind auf allen Fernsehkanälen die Bilder so präsent, dass häufig kaum ein Weg daran vorbeiführt.

Es wäre auch falsch zu versuchen, die Kinder vollständig von den Ereignissen abzuschirmen. In solch einem Fall ist es besser, Zusammenhänge zu erklären und auf Fragen einzugehen. So fühlen sich die Kinder ernst genommen und gut informiert und entwickeln keine unrealistischen Ängste.

Eine gute Möglichkeit interessierte Kinder zu informieren sind Kindernachrichten. Hier wird auf eine angemessene Bildauswahl, einfache Sprache und erklärendes Hintergrundwissen geachtet — ohne zu verharmlosen, aber auch ohne zu dramatisieren.

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7. Was ist davon zu halten, wenn Eltern das "Fernseh-Verbot" als Erziehungsmittel einsetzen?

Verena Weigand: Eigentlich sollte der Fernseher kein Erziehungsmittel sein. Ihm wird dadurch mehr Bedeutung beigemessen als er eigentlich verdient. In der Praxis sieht es leider oft anders aus, weil dieses Verbot meist äußerst wirkungsvoll ist. Doch alles, was verboten wird, wird dadurch nur reizvoller.

Daher: Nicht so viel Wirbel um den Fernseher machen und Erziehungsdebatten lieber auf einem anderen Feld austragen.