Impfen bei Babys: 10 Elternfragen und Antworten

Impfen: ja oder nein? Ist das Baby auf der Welt wird kaum ein Thema so heiß diskutiert wie dieses! Viele Eltern sind verunsichert: Wie sinnvoll sind Impfungen? Gibt es Nebenwirkungen und Impfschäden? Warum soll ich mein Kind gegen Krankheiten impfen lassen, die es längst nicht mehr gibt?

Die Medizinjournalistin Dr. Nicole Schaenzler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit diesem umstrittenen Thema und hat zusammen mit Kinderärztin Dr. Strasser-Vogel ein Buch dazu veröffentlicht („300 Fragen zum Impfen", GU-Verlag). Als Impfexpertin beantwortet sie für Yahoo! die häufigsten Elternfragen.

Die Schutzimpfungen sollten beginnen, wenn das Kind zwei Monate alt ist (Foto: Thinkstock)
Die Schutzimpfungen sollten beginnen, wenn das Kind zwei Monate alt ist (Foto: Thinkstock)

1. Warum soll ich schon mein Baby impfen lassen? Reicht es nicht erst zu impfen, wenn mein Kind größer ist?

Dr. Schaenzler: Einige Infektionen treffen Säuglinge deutlich schwerer als größere Kinder. Dazu gehören z.B. Infektionen mit dem Bakterium Haemophilus influenzae b (Hib) und Keuchhusten. Bei einem Viertel der Babys unter sechs Monate, die an Keuchhusten erkranken, kommt es zu Komplikationen wie Lungenentzündungen oder Atemstillständen. Werden die Kinder älter, gibt es weniger Komplikationen. Deshalb ist es gerade sinnvoll, Babys bereits nach dem vollendeten zweiten Lebensmonat gegen bestimmte Erkrankungen impfen zu lassen.

Übrigens ist wissenschaftlich nicht belegt, dass Säuglinge Impfungen generell schlechter vertragen würden als ältere Kinder.

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2. Wieso soll ich mein Kind gegen Krankheiten wie Tetanus, Kinderlähmung und Diphtherie impfen lassen, wenn es diese Krankheiten überhaupt nicht mehr gibt?

Dr. Schaenzler: Einige Infektionen wie Kinderlähmung (Polio) oder Diphtherie sind bei uns tatsächlich selten geworden. Diesen Erfolg haben wir allerdings nur der hohen Impfrate in Deutschland zu verdanken. Doch auch wenn diese Krankheiten rar geworden sind, sie sind deshalb nicht ausgerottet! Tetanus-Erreger befinden sich z.B. in der Erde, Diphtherie-Erreger können jederzeit von Urlaubern, Geschäftsleuten oder Einwanderern eingeschleppt werden und auch Fälle von Kinderlähmung gibt es immer wieder in Urlaubsgebieten wie Ägypten oder der Türkei.

3. Wieso soll ich mein Kind gegen harmlose Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln oder Mumps impfen lassen?

Dr. Schaenzler: Diese Krankheiten heißen „Kinderkrankheiten", weil sie bevorzugt im Kindesalter auftreten. Das soll aber nicht bedeuten, dass Masern, Mumps und Röteln völlig harmlos sind. Es stimmt, dass viele Erkrankungen ohne Komplikationen ausheilen. Trotzdem können diese Infektionen in bestimmten Fällen sehr dramatisch verlaufen. Gerade Masern sind nicht zu unterschätzen: Die Chancen stehen 1:1.000, dass Ihr Kind infolge der Masernerkrankung eine Entzündung des Gehirns, die so genannte Masern-Enzephalitis, entwickelt. Die Folge: Bleibende Hirnschäden. In manchen Fällen verläuft die Infektion sogar tödlich.

Nicht zu unterschätzen sind auch die Folgeschäden, nach einer vermeintlich überstandenen Masernerkrankung. Erst vor wenigen Wochen ist wieder ein 13-jähriges Mädchen in Nordrhein-Westfalen an den Spätfolgen einer vor Jahren angeblich überstandenen Masernerkrankung gestorben. Sie litt an einer unheilbaren chronischen Maserngehirnentzündung als Folge der Masernerkrankung. Der einzige wirksame Schutz vor den dramatischen Folgen ist eine vorbeugende Impfung.

Auch Mumps und Röteln können gefährlich werden: Erkranken junge Männer an Mumps, kann das eine Hodenentzündung mit Fruchtbarkeitsstörungen zur Folge haben. Röteln können bei Frauen in der Schwangerschaft schwere Fehlbildungen des ungeborenen Kindes verursachen.

4. Ist es meine freie Entscheidung als Mutter oder Vater mein Kind nicht zu impfen oder sind wir dazu verpflichtet?

Dr. Schaenzler: In Deutschland besteht keine Impfpflicht. Prinzipiell kann jeder, ohne Angabe von Gründen, eine Impfung für sich oder sein Kind ablehnen. Trotzdem drängen öffentliche Institutionen im Gesundheitswesen auf eine möglichst konsequente Umsetzung der Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert Koch-Instituts. Thematisiert wird dabei auch immer wieder der Solidaritätsgedanke: Sind über 90 Prozent der Bevölkerung geimpft, wird eine Herdenimmunität erzeugt. Das hat zur Folge, dass viele Krankheiten sehr selten geworden sind. Davon profitieren dann auch Menschen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können, z.B. immungeschwächte Patienten oder wenige Wochen alte Säuglinge.

Außerdem gibt es immer öfter Kitas und Kindergärten, die auf eine lückenlose Impffolge ihrer Schützlinge achten und im Zweifelsfall sogar ein Kind ohne vollständigen Impfschutz ablehnen können.

5. Muss ich mich streng an den Impfplan der STIKO halten?

Dr. Schaenzler: Die Zeitabstände und Impfkombinationen, die die Ständige Impfkommission (STIKO) vorgibt, sind durchaus sinnvoll. Die zeitlichen Vorgaben für die Sechsfachimpfung sind beispielsweise so gewählt, dass man die ganze Impfserie von vier Terminen durchführen kann, bevor der Nestschutz des Babys endet und die üblichen Infekte mit Husten, Schnupfen und Fieber beginnen. Werden die Kinder immer wieder krank, muss die Impfung dann oft mehrmals verschoben werden.

Sicher kann man sich auch Gedanken machen, individuell vorzugehen. Wenn Sie Ihr Kind im ersten Jahr zu Hause betreuen und es keine älteren Geschwister hat, die häufig Krankheitserreger vom Kindergarten mit nach Hause bringen, kann man einige Impfungen auch zu einem späteren Zeitpunkt verabreichen lassen. Planen Sie aber, Ihr Kind in die Kinderkrippe zu geben, wo es mit vielen Menschen in Kontakt kommt, sollten Sie es lieber nach Plan impfen lassen. Am besten Sie lassen sich von Ihrem Kinderarzt beraten.

6. Überfordert die Sechsfachimpfung das Immunsystem meines Kindes?

Dr. Schaenzler: Nein. Bisher gibt es keine Belege dafür, dass Impfungen mit Einzel- oder Kombinationsimpfstoffen mit bis zu sechs Komponenten das Immunsystem von Säuglingen und Kleinkindern übermäßig belasten. Heute werden Kinder zwar gleichzeitig gegen mehr Krankheiten geimpft als früher, die Impfungen selbst haben sich aber immer weiter verbessert: Früher wurden mit dem Keuchhusten-Impfstoff rund 3.000 Antikörper verabreicht.

In den modernen Schutzimpfungen finden sich für alle Krankheiten zusammengenommen nur noch 150 Antigene. Unabhängig von den Impfungen muss sich das kindliche Immunsystem tagtäglich mit einer riesigen Menge an neuen Keimen auseinandersetzen: Schon der Atem der Mutter enthält eine weit höhere Keimzahl als der Sechsfachimpfstoff.

Das Risiko von Impfschäden ist inzwischen gering (Foto: Thinkstock)
Das Risiko von Impfschäden ist inzwischen gering (Foto: Thinkstock)

7. Stehen Impfungen und der plötzliche Kindstod in Zusammenhang?

Dr. Schaenzler: Es gab nach einer Impfung, aber nicht wegen einer Impfung Todesfälle. Nur weil die Todesfälle zeitlich nah auf die Impfungen folgten, ist ein Zusammenhang nicht bewiesen.

Im Gegenteil: Langzeitstudien mehrerer europäischer Länder, darunter Deutschland, Frankreich und England, haben jetzt belegt: Impfungen im Säuglingsalter können die Gefahr des plötzlichen Kindstodes sogar reduzieren. Der Grund dafür ist, dass das möglichst frühe Impfen von Säuglingen und Kleinkindern zu einem besser stimulierten Immunsystem führt und dadurch die schnellere Auseinandersetzung mit weiteren Infektionen ermöglicht wird. Darüber berichtet die Universität Dresden.

8. Wie hoch ist das Risiko von Nebenwirkungen und Impfschäden?

Dr. Schaenzler: Die Furcht vor Nebenwirkungen ist nicht unbegründet. Wie alle medizinisch wirksamen Substanzen können natürlich auch Impfstoffe Nebenwirkungen und bleibende Schäden hervorrufen. Statistiken belegen aber, dass die Zahl der Impfschäden in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Sie liegt im Moment bei unter 1:1 Million Geimpften.

Ein Grund für den Rückgang der Impfschäden ist, dass in Deutschland seit Jahren keine Pocken- und Tuberkoloseimpfungen mehr durchgeführt werden. Ihr Anteil an den registrierten Impfschäden machte 70 Prozent aus. Die meisten Impfstoffe erhalten außerdem keine kompletten Krankheitserreger mehr, sondern nur noch deren Bestandteile.

Die häufigsten Impfreaktionen sind harmlos: Eine Rötung und Schwellung der Einstichstelle oder zwei- bis drei Tage erhöhte Temperatur. Grundsätzlich ist das Risiko höher, durch eine echte Erkrankung schwere Schäden davon zu tragen als durch die Impfung.

9. Will die Pharmaindustrie mit den Impfungen nicht nur Geld verdienen?

Dr. Schaenzler: Dieser Vorwurf sitzt tief! Seit Jahren unterstellen Impfkritiker eine Verbindung der Ständigen Impfkommission des Robert Koch-Instituts (STIKO) zur Pharmaindustrie und behaupten, dass verschiedene Studien zur Impfwirksamkeit und zum Risiko von Nebenwirkungen nicht objektiv sind. Tatsächlich sind Impfkommission und Industrie miteinander verbunden. Der Grund: Den deutschen Universitäten fehlen oft die notwendigen finanziellen und personellen Mittel für unabhängige Studien.

Um den Vorwurf zu entkräftigen, die Pharmaindustrie wolle mit den Impfungen nur Geld verdienen, gibt das Robert Koch-Institut zu bedenken: Den Umsätzen der Pharmaindustrie stehen auch oft beträchtliche Einsparungen gegenüber. Die heutige Impfung gegen Keuchhusten hat die direkten Behandlungskosten um mehr als 200 Millionen Euro pro Jahr gesenkt; die Hepatitis B-Impfung brachte anfangs zwar Zusatzkosten für die Krankenkassen, langfristig wird aber das Gesundheitssystem entlastet werden.

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10. Kann man trotz Impfung erkranken?

Dr. Schaenzler: Leider kann das natürlich passieren. Keine einzige Impfung schützt 100 Prozent der Geimpften, genauso wie kein Medikament bei allen Patienten anschlägt. Impfungen können aber die Wahrscheinlichkeit zu erkranken, deutlich senken bzw. den Verlauf der Krankheit sehr abschwächen. Wichtig für einen hohen Impfschutz sind aber die notwendigen Auffrischimpfungen. Gerade bei Kindern müssen die klassischen Schutzimpfungen mehrmals wiederholt werden, bevor man eine zuverlässige und dauerhafte Schutzwirkung hat.