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„Du spielst nicht mehr mit!” – Gibt es Mobbing schon im Kindergarten?

Was ist mit einem Kind los, das sich plötzlich weigert in den Kindergarten zu gehen, meist alleine spielt und immer wieder mit Schrammen nach Hause kommt? Kann dahinter systematisches Mobbing unter Kindern stecken oder gehört ärgern, hauen und drohen zur ganz normalen Entwicklung Drei- bis Sechsjähriger? Wie sollen besorgte Eltern reagieren?

Wer immer wieder ausgeschlossen wird, fühlt sich hilflos, frustriert und traurig (Foto: Thinkstock)
Wer immer wieder ausgeschlossen wird, fühlt sich hilflos, frustriert und traurig (Foto: Thinkstock)


Was ist Mobbing?

Von Mobbing am Arbeitsplatz hört man immer wieder, auch in Schulen wird heute leider oft und viel gemobbt. Aber gibt es Mobbing schon im Kindergarten?

Unter „Mobbing" versteht man eine Form von offener und/oder versteckter Gewalt gegen eine Person über einen längeren Zeitraum mit dem Ziel den Betroffenen systematisch sozial auszugrenzen, ihn „fertig zu machen". Das kann in Form von verbaler, körperlicher oder seelischer Gewalt erfolgen.

Eine aktuelle Studie zeigt: Viele Eltern bestrafen ihre Kinder noch immer mit Schlägen

Können kleine Kinder mobben?

Mehrere Untersuchungen, u.a. eine Studie der Universität Bern aus dem Jahr 2006, belegen, dass bereits Kinder im Kindergartenalter Opfer von seelischen und körperlichen Übergriffen durch Gleichaltrige werden können. Dazu gehören drohen, schubsen, hauen, auslachen, ignorieren, erpressen, beklauen oder Gegenstände des Opfers absichtlich kaputt machen.

Psychosomatische Beschwerden als Folge

Ein Kind das permanent erniedrigt wird, fühlt sich hilflos, frustriert, traurig, zieht sich zurück oder reagiert - ganz im Gegenteil - mit gesteigerter Aggressivität. Im schlimmsten Fall kann das Selbstwertgefühl des gehänselten Kindes dauerhaft geschädigt werden. Dann können psychosomatische Beschwerden wie Angstattacken, Bettnässen, Unkonzentriertheit oder Alpträume hinzu kommen.

Täter, Opfer, Publikum

Das entscheidende ist aber, dass immer dasselbe Kind von einem oder auch mehreren immer gleichen Tätern drangsaliert wird und dieses Kind selbst keine Hilfe erfährt. Die Studie der Universität Bern zeigte, dass Mobbing-Opfer fast nie Unterstützung von unbeteiligten Kindern bekamen.

Die Wissenschaftler fanden weiterhin heraus, dass Mobber - aus der Sicht der Kinder - zu den beliebtesten Kindern in einer Gruppe gehörten. Sie erlangen durch ihre Taten Ansehen und werden respektiert.

Kleine Kinder können noch nicht systematisch handeln

„Kindergartenkinder entwickeln erst allmählich die Fähigkeiten, Ziele auch über längere Zeiträume systematisch zu verfolgen", erklärt Dr. Ingo Spitczok von Brisinski, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie.

„Mobbing im Kindergarten ist daher weniger ein langfristiges zielgerichtetes Handeln. In diesem Alter paart sich eher Aggressivität mit den verminderten Fähigkeiten sich zu wehren und die Emotionen anderer zu verstehen. Das kann dann zu Übergriffen unter Gleichaltrigen führen."

Die Grundzüge des Mobbings sind aber auch im zarten Kindergartenalter bereits vorhanden. Dazu gehört z.B. die soziale Erpressung. Kinder drohen schnell mit Sätzen wie „Dann bist du nicht mehr mein Freund!" oder „Dann spielst du nicht mehr mit!". Wer damit Erfolg hat, lernt, dass er Macht über andere Kinder ausüben und dadurch seine Wünsche durchsetzen kann.

Ungünstige Umstände

Mobbing von Kindern findet vor allem in Situationen statt, in denen keine Erwachsenen zugegen sind. Auch große Kindergruppen im Kindergarten gepaart mit wenig Personal begünstigen das Mobbing. Ungünstig wirkt es sich auch aus, wenn Gruppen kein starkes Gemeinschaftsgefühl haben oder wehrlose und aggressive Kinder aufeinandertreffen.

Warum mobben Kinder?

Als Leiter der Kinder- und Jugendpsychiatrie an der LVR-Klinik in Viersen hat Dr. Spitczok von Brisinski dafür eine plausible Erklärung: „Kinder haben das Bedürfnis nach Anerkennung. Bekommen sie diese nicht in angemessener Weise von Gleichaltrigen, Eltern und anderen Erwachsenen, kann es dazu führen, dass sie ihren Frust an anderen auslassen."

Kinder die mobben, seien oft nicht in der Lage, Emotionen, die das Opfer-Kind fühlt, wie z.B. Angst, Scham, Trauer oder Frust, richtig zu deuten. Außerdem wüssten sie nicht, dass wahre Gefühle auch hinter einer verstellten Mimik verborgen sein können, erklärt der Kinder- und Jugendpsychiater. „Den mobbenden Kindern ist oft gar nicht bewusst, wie sehr ihr Verhalten das Opfer in Bedrängnis bringt. Deshalb machen sie immer weiter und genießen die Anerkennung ihrer Freunde."

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Das sind die Warnzeichen:
Kinder, die gemobbt werden, leiden meist im Stillen und vertrauen sich niemandem an. „Die Opfer haben Angst davor, dass sie vom Täter noch schlimmer drangsaliert werden, wenn Erwachsene das mobbende Kind zur Rede stellen", weiß Dr. Spitczok von Brisinski. Eltern sollten deshalb auf folgende Warnzeichen achten:

- Ihr Kind weigert sich, in den Kindergarten zu gehen
- Es hat wenig Kontakt zu Gleichaltrigen
- Es wirkt ängstlich, unsicher oder sogar depressiv
- Es klagt oft über Bauch- oder Kopfweh oder andere Schmerzen
- Es spricht schlecht über sich selbst
- Es kann nachts nur schwer einschlafen oder leidet an Appetitlosigkeit
- Es hat immer wieder Schrammen und blaue Flecken
- Es verliert immer wieder Sachen oder bringt sie beschädigt vom Kindergarten nach Hause

Eltern sollten ihr Kind ernst nehmen und für es da sein (Foto: Thinkstock)
Eltern sollten ihr Kind ernst nehmen und für es da sein (Foto: Thinkstock)

Das können Sie tun:
Diese Anzeichen müssen natürlich nicht automatisch darauf hinweisen, dass Ihr Kind im Kindergarten gemobbt wird. Trotzdem sollten Sie schnell aktiv werden:

- Zeigen Sie Ihrem Kind, dass Sie für es da sind und es ernst nehmen
- Seien Sie geduldig, wenn es nicht gleich von seinen Sorgen erzählen will
- Sprechen Sie mit den Erzieherinnen im Kindergarten über deren Beobachtungen bzw. sensibilisieren Sie die Fachkräfte auf das mögliche Problem
- Unterstützen Sie Freundschaften außerhalb des Kindergartens
- Stärken Sie das Selbstwertgefühl Ihres Kindes: Ihr Kind muss lernen „Nein" zu sagen!

Weitere Informationen und Unterstützung finden Sie unter www.kinderpsychiater-im-netz.de.